Muss Europa, stärker denn je, eine Militärmacht sein - oder führt eben dieser Weg in genau die falsche Richtung? Im Europa-Quartett sprachen wir über die Perspektiven europäischer Sicherheitspolitik.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat die europäische Friedensordnung erschüttert. Abrüstung erscheint als eine von der Realität überholte Option, stattdessen steht nun militärische Abschreckung ganz vorn auf der (inter)nationalen Agenda. Was bedeutet das für das "Friedensprojekt Europa"? Muss sich das Selbstverständnis der Europäischen Union als "Zivilmacht" ändern - und welche Rolle käme Deutschland in diesem Kontext zu? Wie entwickelt sich das Verhältnis von militärischen Mitteln und nicht-militärischen Maßnahmen, etwa Sanktionen und vertraglich verankerten Sicherheitsgarantien?
Europa-Quartett #16: Militärmacht Europa? - Heinrich Böll-Stiftung Bremen
Direkt auf YouTube ansehenErstmals in ihrer Geschichte liefert die EU massiv Waffen in Kriegsgebiete. Doch schon vor dem Ukraine-Krieg wurden die Forderungen lauter, die EU müsse ihre eigenen militärischen Fähigkeiten ausbauen, eine gemeinsame "Europäische Verteidigungsarmee" aufstellen - auch vor dem Hintergrund, dass die USA ihre militärische Präsenz perspektivisch auf den ostpazifischen Raum konzentrieren. Das Europa-Quartett diskutierte die Perspektiven europäischer Sicherheitspolitik: Was muss sie leisten, um die Lage auf diesem Kontinent wieder zu stabilisieren? Was bedeutet der Paradigmenwechsel in Sachen Militärausgaben aus grüner Sicht? Wie ist, angesichts von Putins Drohungen mit Nuklearschlägen, die sog. "atomare Teilhabe" zu bewerten, die Stationierung und logistische Unterstützung von US-Atomwaffen in Deutschland? Muss Europa, stärker denn je, eine Militärmacht sein - oder führt eben dieser Weg in genau die falsche Richtung?
Die Gäste:
Dr. Carolyn Moser forscht im Bereich des Völker- und des Europarechts, mit besonderem Augenmerk auf Sicherheit und Verteidigung in Europa, und leitet die Forschungsgruppe „European Security Revisited (ENSURE)“ am Max Planck Institute for Comparative Public Law and International. Im März 2023 erschien von ihr der Text "Die Zeitenwende: viel Zeit, wenig Wende?" in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht.
Madita Standke-Erdmann (War Studies Department des King‘s College London) forscht zu kolonialen Kontinuitäten in der Außenpolitik und ist Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung Deutschland.
Dr. Helga Trüpel ist Vorsitzende der Europa-Union Bremen; sie war von 2004-2019 als Abgeordnete im Europäischen Parlament und u.a. Mitglied der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China.
Es moderierte Dr. Emanuel Herold, Soziologe und Parlamentsreferent der grünen Bürgerschaftsfraktion in Bremen.
Die Reihe Europa-Quartett der Heinrich Böll-Stiftung Bremen findet in Kooperation mit dem Theater Bremen statt.