EQ #12: Nach langer Beziehungskrise nun die Trennung?

Video

Am 2. Mai 2021 diskutierten Birgit Aschmann, Inhaberin des Lehrstuhls für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der HU Berlin, Udo Seiwert-Fauti, freier Journalist und Auslandskorrespondent sowie der Politikwissenschaftlerin und Publizistin Ulrike Liebert und dem Soziologen und Geschäftsführer der Europa-Union Bremen Emanuel Herold.

Lesedauer: 4 Minuten
Cover zu EQ12

Zum YouTube Livestream der Veranstaltung ➔

EQ #12: Nach langer Beziehungskrise nun die Trennung? - Heinrich Böll-Stiftung Bremen

video-thumbnail Direkt auf YouTube ansehen

Die Unabhängigkeitsbewegungen in Schottland und Katalonien standen in der jüngsten Vergangenheit im Schatten der Corona-Pandemie, der daraus erwachsenen globalen Wirtschaftskrise und des geopolitischen Ringens der EU mit China, Russland und den USA. Dass der Separatismus im Vereinigten Königreich und in Spanien in diesem heiklen Umfeld nun wieder an Brisanz gewinnt, ist kein Zufall:

Schon im Zuge des Brexits fühlten sich viele Schott*innen von der Regierung in Westminister ignoriert und vernachlässigt – ein Eindruck, der im Zuge der Pandemiekrise noch verstärkt wurde. Auch in Spanien hat das Virus die Zuständigkeits- und Verteilungskonflikte zwischen der Zentralregierung in Madrid und den Regionen erneut verschärft. Bei den katalanischen Regionalwahlen haben die separatistischen Parteien Anfang des Jahres erstmals eine absolute parlamentarische Mehrheit errungen. Bei den schottischen Parlamentswahlen Anfang Mai erwarten die Nationalist*innen ebenfalls ein starkes Ergebnis.

Aus europapolitischer Perspektive ist die Wechselwirkung beider Bewegungen von jeher Grund zur Faszination und zur Beunruhigung: Wie geht die EU mit dem Szenario um, dass eine unabhängig gewordene Region die (Wieder-)Aufnahme in die Staatengemeinschaft begehrt? Triebe sie damit europaweit den Separatismus an? Oder könnte sie im Gegenteil sogar einen Beitrag zur Befriedung lang schwelender regionaler Konflikte liefern? Die EU kann sich jedenfalls nur schwer aus diesen Konflikten heraushalten: So hob das Europaparlament im März dieses Jahres die Immunität von mehreren katalanischen Abgeordneten auf, die in Spanien ein Gerichtsprozess wegen ihrer Aktivitäten rund um das Unabhängigkeitsreferendum von 2019 erwartet.

Jenseits dieser jüngeren Geschehnisse dürfen die weit zurückreichende Konfliktgeschichten nicht vergessen werden, aus der sich die emotionalen Dynamiken beider Bewegungen auf je spezifische Weise speisen. Diese Konfliktgeschichten begründen die Zugehörigkeit dieser Regionen in ihren Nationalstaaten und befeuern zugleich die immer wieder mobilisierbaren Bestrebungen, sich aus eben diesen politischen Bindungen zu lösen.

Das Europa-Quartett #12 analysiert im Rahmen der Europawoche 2021 die historischen Hintergründe und die aktuelle Situation beider Unabhängigkeitsbewegungen und diskutiert deren Bedeutung für das politische Gesamtgefüge in Europa. Zu Gast sind:

Portrait von Birgit Aschmann

Prof. Dr. Birgit Aschmann, Inhaberin des Lehrstuhls für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der HU Berlin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Politische Kulturgeschichte, Geschichte der Emotionen und Gendergeschichte. In Kürze erscheint von ihr das Buch Beziehungskrisen. Eine Emotionsgeschichte des katalanischen Separatismus. Zuletzt erschien u.a. Die Spanische Verfassung von 1978: Entstehung - Praxis - Krise? (Hg. mit Christian Waldhoff, 2020).

Udo Seiwert-Fauti, freier Journalist und Auslandskorrespondent. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften tätig für den SWR und den Hessischen Rundfunk. Wechselte 1997 nach Schottland, um von Edinburgh aus als freiberuflicher Korrespondent für deutsche Medien sowie als Radioredakteur für BBC Scotland tätig zu sein. 2007 Wechsel nach Straßburg, wo Seiwert-Fauti als Korrespondent für englisch- und deutschsprachige Medien u.a. ständig beim Europarat, beim EU-Parlament sowie im Scottish Parliament in Edinburgh akkreditiert ist.

Prof. Dr. Ulrike Liebert, Politikwissenschaftlerin und Publizistin, hat als Gründerin und Sprecherin des Jean Monnet Centrums für Europastudien (CEuS) an der Universität Bremen (2000-2016) internationale Forschungsprojekte zur Demokratisierung der EU geleitet, u.a. zum EU-Verfassungskonvent (2002/03) sowie zur Rolle von Bürgerschaft, Zivilgesellschaft und Medien-Öffentlichkeiten in der Rekonstitution der Demokratie in Europa. Zuletzt erschien von ihr Europa erneuern! Eine realistische Vision für das 21. Jahrhundert (2019) und Europeanisation and Renationalisation. Learning from Crises for Innovation and Development (2019, Hg. mit Anne Jenichen).

Dr. Emanuel Herold, Soziologe, Geschäftsführer der Europa-Union Bremen und Parlamentsreferent der grünen Bürgerschaftsfraktion in Bremen. Gemeinsam mit Ulrike Guérot, Tom Kehrbaum und Oskar Negt veröffentlichte er 2018 das Buch Europa jetzt! Eine Ermutigung. Seine Dissertation mit dem Titel Utopien in utopiefernen Zeiten. Zukunftsdiskurse am Ende der fortschrittlichen Moderne erschien 2020 im Wallstein-Verlag.