Mitschnitt der Veranstaltung "Migration is (still) not a crime!
Aktuelle Entwicklungen in der Migrationspolitik und wie wir über Migration sprechen" mit Tareq Alaows, Marcus Engler, Hadija Haruna-Oelker und Aisha Camara.
Eine Europäische Asylrechtsreform, neue Abschieberegelungen, Bilder von vollen Booten auf dem Mittelmeer und Berichte von überlasteten Kommunen - doch was genau steckt dahinter? Heutzutage prägen vor allem populistische Bilder eine aufgeheizte Debatte um das Thema Migration. Dabei werden teilweise Tatsachen verdreht und die Stimmen der Menschen, um die es eigentlich geht, kaum berücksichtigt.
Stattdessen werden in Europa und Deutschland immer mehr Verschärfungen im Migrations- und Asylrecht gefordert und geplant. „Den Rechten das Feld nicht überlassen“ ist häufig die Devise, doch dabei werden die Forderungen selbst immer rechter und rechte Positionen werden im Diskurs normalisiert. Bei dieser Online-Veranstaltung möchten wir aktuelle Debatten über das Thema Migration sowie Entwicklungen von Migrationspolitiken kritisch einordnen.
Wie wird gerade über das Thema Migration gesprochen? Was sind zentrale politische Entwicklungen? Was haben die Debatten und Forderungen von Politiker*innen für konkrete gesellschaftliche Auswirkungen? Wie kann eine menschenrechtsorientierte und menschenwürdige Migrationspolitik stattdessen aussehen und was braucht es dafür in Bezug auf die Diskussion über Migration?
Referent*innen:
Tareq Alaows – Flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl
Marcus Engler – Sozialwissenschaftler am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM-Institut)
Hadija Haruna-Oelker - Journalistin und Autorin
Moderation: Aisha Camara
Dieser externe Inhalt erfordert Ihre Zustimmung. Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.
Open external content on original siteDie Veranstaltung wird organisiert vom Stiftungsverbund der Heinrich-Böll-Stiftung: Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg, Heinrich-Böll-Stiftung NRW, Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt, Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein, Petra-Kelly-Stiftung in Bayern.
Transkript:
Anmoderation: Hallo und herzlich willkommen zu den Audio Mitschnitt der Veranstaltung „Migration ist (still) not a crime“ vom 5. Dezember 2023 über aktuelle Entwicklungen in der Migrationspolitik und wie wir über Migration sprechen. Die Veranstaltung wurde moderiert von Aisha Camara, der ich bald das Wort weitergebe, und wurde organisiert von dem Stiftungsverbund der Heinrich Böll Stiftung, insbesondere von der Heinrich Böll Stiftung in Schleswig-Holstein, von der Heinrich Böll Stiftung in Nordrhein Westfalen, Sachsen-Anhalt, Hamburg, vom Bildungswerk Berlin und von uns, von der Petra Kelly Stiftung. Weitere Informationen über unsere Arbeit und mögliche künftige Veranstaltungen zu diesem wichtigen Thema findet ihr in den Shownotes. So, viel Spaß beim Zuhören, und jetzt gebe ich das Wort an Aisha Camara.
Aisha Camara: Hallo und herzlich willkommen, schönen guten Abend. Mein Internet hat gerade leicht gewackelt. Ich hoffe, es bleibt eine stabile Verbindung. Ich freue mich auch sehr auf die heutige Debatte. Wir haben viel zu sagen, deswegen will ich gar nicht so viele Worte zu Beginn verschwenden. Migration is (still) not a crime, so der Titel der heutigen Veranstaltung, und dieser Satz macht ja eigentlich schon sehr deutlich, welches Klima in der aktuellen Migrationsdebatte herrscht, und wir wollen daher den Versuch wagen, ein bisschen einen Überblick faktenbasiert, unaufgeregt, über aktuelle Entwicklungen in der Migrationspolitik zu geben. Wir schauen uns ein Diskurs an, wir wollen unterschiedliche Perspektiven abbilden, und das hoffentlich auf eine Art und Weise, die menschenrechtsbasiert ist. Das ist vielleicht schon mal eine Notion, die in vielen Debatten gerade fehlt. Wir haben weniger als eineinhalb Stunden Zeit. Es gibt viel zu sagen zu den aktuellen Entwicklungen, und alleine dafür würde der Abend nicht reichen, und dann ist da ja auch noch so viel mehr los. Ich habe heute einen schönen Satz gelesen, der gesagt hat, wir leben in einer Zwischenzeit, das habe ich gelesen. Polykrisen, das wurde auch schon aufgesagt, und ich denke, wir spüren es auch alle. Es verschränken sich drastische außenpolitische Entwicklungen wie der Krieg Israel gegen die Hamas mit politischen Gemengelagen, und natürlich ist die Implizit auch Teil unserer heutigen Debatte. Aber gleichzeitig sind die Menschen, die heute auf dem Podium sind, für ganz viele Dinge Expert*innen, und genau zu dieser Expertise, für die sie heute da sind, werden sie heute befragt. Bitte habt dies alle auch im Hinterkopf, wenn ihr mit uns später mitdiskutiert und mit debattiert. Das soll natürlich auch geschehen. Wir haben jetzt erst mal so ein bisschen ein Gespräch mit dem Podium, und dann möchten wir natürlich das Ganze gerne öffnen. Genau, und ich darf jetzt erst mal die Menschen vorstellen, die mit uns heute diskutieren wollen, wenn keine weiteren Fragen sind. Und zwar ist das einmal Hadija Haruna-Oelker, sitzt auch in Frankfurt, so wie ich gerade, so wie auch Tareq, den ich gleich vorstelle, wo Marcus sitzt, das kann er uns noch verraten. Hadija Haruna Oelker ist Politologin, Journalistin, Autorin des Buches „die Schönheit der Differenz“. Sie schreibt eine Kolumne in der Frankfurter Rundschau, hat gemeinsam mit Max Czollek den Podcast „Trauer und Turnschuh“, beschäftigt sich seit langem mit Rassismus und Intersektionalität, und wenn es auch gerade um die Frage geht, wie wird eigentlich gerade in Deutschland über Migration gesprochen, ist sie, glaube ich, eine wichtige Stimme auch in den letzten Wochen gewesen. Wir freuen uns sehr, dass du hier bist, liebe Hadija, herzlich willkommen! Dann darf ich auch vorstellen Tareq Alaows. Er ist flüchtlingspolitische Sprecher und Referent für Kampagnen und Netzwerkarbeit bei Pro Asyl. Alaows ist aus dem Damaskus in Syrien und ist selbst 2015 hier nach Deutschland geflohen, und seitdem ist er politisch aktiv in unterschiedlichen Gruppen. Er engagiert sich von Pro Asyl bis Seebrücke für die Rettung und Aufnahme von Geflüchteten, wurde, glaube ich, auch in Debatten in den letzten Wochen und Monaten auch schon sehr beansprucht. Wir freuen uns sehr, dass du heute mit dabei bist, lieber Tareq! Und dann darf ich als last but not least Dr. Marcus Engler vorstellen. Marcus Engler ist Sozialwissenschaftler, forscht seit September 2020 am Dezim-Institut, befasst sich intensiv mit Flucht- und Migrationsbewegungen sowie mit deutscher, europäischer, globaler Flüchtlings- und Migrationspolitik. Er befasst sich da mit Trends, Debatten, Entwicklung rund ums Themenfeld und kann uns hoffentlich heute auch ein bisschen Dinge einordnen, gemeinsam mit den anderen. Wir freuen uns sehr, dass du da bist, Marcus. Du sitzt wahrscheinlich in Berlin, nehme ich mal stark an. Wunderbar, herzlich willkommen! Ich habe erst mal eine Frage an alle, auch an die Menschen, die uns hier alle zuhören. Ihr könnt gerne in den Chat rein hacken, und zwar, das Jahr neigt sich dem Ende zu, und es gibt doch immer gerne solche Fragen wie „was ist eigentlich Unwort des Jahres?“ und so weiter und so fort. Ich beschäftige mich auch sehr viel mit Sprache, und da würde ich gerne von euch wissen, wenn wir dieses ganze Migrationsdebatten-Thema geben. Was ist denn euer Unwort des Jahres, so ganz spontan - Migrationsdebatte? #00:05:26-5#
Tareq Alaows: Tatsächlich, im Bereich Flucht und Migration fällt mir das Wort europäische Einigung. Das sind zwei Worte. Damit also, das wird schön dargestellt nach außen. Damit wird aber gemeint, dass das gemeinsame europäische Asyl-System, und das ist die Einigung Europas, Menschen auf der Flucht zu entrechten tatsächlich. Und zwar systematisch zu entrechten. Deswegen gebe ich mein Votum dafür. #00:05:52-9#
Aisha Camara: Mhm, ich sehe hier einiges. Da gibt es einige Wörter. Vielleicht kann die Heinrich-Böll mal so einen Award ausrufen, für das Migrationsunwort des Jahres. Hadija, gibt's ein Wort, was für dich das Unwort des Jahres ist? #00:06:05-4#
Hadija Haruna-Oelker: Ja, ich nehme Migrationsabkommen. Auch ein super Wort, wir sprechen bestimmt darüber, aber weil man die ja mit so ganz vielen Ländern schließen könnte, wollte, schon geschlossen hat und dabei menschenrechtliche Standards doch sehr fragwürdig oder nicht hinterfragt werden. Genau, aber sie das Allheilmittel sind und bei diesen Abkommen eigentlich immer nur über Abschieben nachgedacht wird und weniger über das, was sozusagen das Interesse anderer Länder sein könnte, über eine legalisierte Migration wirklich nachzudenken. #00:06:44-4#
Aisha Camara: Dankeschön, Marcus. Fällt dir was ein? Oder natürlich fällt dir was ein. Oder kannst du eins rauspicken? #00:06:52-1#
Marcus Engler: Tatsächlich fällt es mir schwer, da wirklich so eine Sache rauszunehmen. Ich habe jetzt die ganze Zeit auch nebenbei so mitgelesen, was da im Chat so aufgeploppt ist, und ganz viele Dinge hatte ich auch im Sinn, also „irreguläre Migration“, weil das neu verwendet wird in der Art und Weise, wie es gerade verwendet wird, nämlich quasi auch für alle schutzsuchenden Menschen sozusagen, also alle werden das irreguläre Migranten bezeichnet. Migrationspartnerschaften habe ich auch kurz überlegt. Ich meine, es gibt so viele Sachen. Auch diese Bezahlkarten sind auch ein schönes Beispiel. Olaf Scholz ist auch gut. #00:07:29-4#
Aisha Camara: Einfach zack! #00:07:31-5#
Marcus Engler: Ich finde auch tatsächlich den Titel, wenn wir hier schon bei einer grünen Stiftung sind. Den Titel habe ich, glaube ich, irgendwo auf: Humanität und Ordnung. Das ist, glaube ich, so ein Schlagwort, was eigentlich in den konservativen Kreisen sehr beliebt war, auch von einem gewissen Migrationsexperten, damals Gerald Knaus, sehr häufig verkauft und verwendet wird. Und das ist, glaube ich, der Titel des Leitantrags der Grünen. Ich kann ja später mehr dazu sagen, warum ich das problematisch finde. #00:08:00-0#
Aisha Camara: Ja, unbedingt. Humanität und Ordnung hab ich mir auch notiert für heute. Was ich ein total hübsches, hübsches, nicht hübsch eigentlich, Rückführungsverbesserungsgesetz ist auch ein super tolles Wort, weil es schon einfach sehr viel impliziert, worüber wir heute sprechen könnten. Aber gut, danke euch fürs Stimmungsbild. Ich wollte einfach mal ein bisschen hören, bisschen sehen, auch im Chat ein bisschen Aktivität hervorrufen, und jetzt gehen wir mal bisschen, aber trotzdem strukturiert in die Diskussion rein. Es gibt ja unterschiedliche Ebenen, mit denen wir das Thema betrachten können, und ich würde gerne vielleicht erst mal die europäische Ebene abhandeln wollen und vielleicht zu Tareq und Marcus geblickt, die sich da vielleicht auch besser damit auskennen als Hadija, die eher in dem deutschen Diskurs und in den deutschen Zahlen zu Hause ist. Wir haben ja, wenn wir jetzt zurückblicken, von 2015 bis heute, gibt es ja doch gerade seit Juni, vielleicht ist das sozusagen Juni 2023, wo, glaube ich, aus meiner Sicht zum ersten Mal so ein bisschen auch in Deutschland über GEAS und sowas diskutiert wurde. Vielleicht könnt ihr, vielleicht kannst du, Tareq, so ein bisschen uns mal reinholen und sagen, was sind denn jetzt eigentlich, es wird viel gesprochen, aber was sind denn aus deiner Sicht die aktuellen europäischen Entwicklungen, die gerade wichtig sind, und vor allen Dingen, welche Lösung? Weil ich glaube, geredet wird ganz, ganz viel über alles Mögliche, und man hat das Gefühl, man kommt auch gar nicht mehr hinterher zwischen dem, was gesprochen wird, und dem, was tatsächlich entschieden wird. Also, was sind aktuelle, hole uns nochmal rein, europäische Dinge, die sich verändert haben? #00:09:50-4#
Tareq Alaows: Ja, sehr gerne. Ich glaube, das Thema ist sehr komplex, und man kann das nicht in ein paar Sätzen vereinfachen. Aber die Debatte schon seit März bis zum heutigen Tag ist in eine sehr toxischen Richtung gegangen. Also es ist in eine Richtung gegangen, als eine Lösung darzustellen für Europa und für die Gemeinschaft Europa. Die Entrechtung von den Menschen auf der Flucht. Dafür ist das Thema GEAS. Von dem Begriff haben wir alle gehört, gemeinsames europäisches Asylsystem. Es geht im Großen und Ganzen in die Richtung, dass Menschen an den Außengrenzen Europas gescreent werden, in einem Grenzverfahren, in einem Asyl-Grenzverfahren durchführen sollen und danach mit einem Verteilmechanismus oder freiwilligen Verteilmechanismus an die europäischen Mitgliedsstaaten verteilt werden. Diese Debatte geht aber viel in Details, dass sie dazu führen würde, dass de facto die Menschen an den Außengrenzen Europas inhaftiert würden. Mehrere Monate dort sollen sie in Haft-Lagern bleiben. Also gesagt wird, dass diese Menschen zu einem, also Zugang zu Asylverfahrensberatung und rechtliche Beratung haben. Aber wenn ich mir das Bild von Moria zum Beispiel im Auge habe, 20.000 Menschen, die in einem Lager leben. Wie viele Anwält*innen braucht man, um sie zu beraten? Und gibt es irgendwelche Garantien für menschenwürdige Bedingungen in diesen Lagern? Das sehr Kritische an den ganzen Debatten oder der Entscheidung von Juni wird so sein, dass auch das Recht auf Asyl entkernt wird. Es gibt, diese Entscheidung, gibt die Mitgliedsstaaten, also da wurde das, also die Asylverfahrensverordnung zugestimmt, und es gibt den Mitgliedsstaaten zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit, Menschen in ein verpflichtendes Grenzverfahren reinzubringen, das sind bestimmte Gruppen von Menschen, aber auch optional allen anderen Menschen in diese Grenzverfahren reinzubringen. Und in diesen Grenzverfahren wird sehr kritisch sein, dass es eher im großen und ganzen darum gehen wird, über welche Drittstaaten, die vermeintlich sicher sind, wie zum Beispiel Türkei für Syrer*innen, wo alle behaupten, Türkei sei sicher für Syrer*innen. Das ist überhaupt nicht der Fall, dass es darum geht, über welchen Drittstaaten die Menschen reingekommen sind und nicht mehr befragt wird, was sind die Fluchtgründe aus dem Herkunftsland, und deswegen sehen wir das kritisch. Also wir haben das tatsächlich erlebt mit dem EU-Türkei-Deal, und wir haben gesehen, dass die Menschen feststeckten an den griechischen Inseln. Alle haben formelle Ablehnungen in ihre Asylverfahren, und dann blieben dort. Die Türkei hat die Menschen nicht zurückgenommen, also sie könnten nicht abgeschoben werden und sie konnten aber nicht weitergehen, und dann hat es ein krasses [unverständlich] für die Menschen gestanden, dann aufgrund dessen, und diese Asylverfahrensverordnung ist tatsächlich die Mischung von diesem EU-Türkei-Deal auf der einen Seite und auf der anderen Seite für, wir kennen alle unsere Flughafenverfahren hier in Deutschland, wo es auch im großen und ganzen darum geht, weil die Flughäfen in Deutschland, wenn Menschen von außerhalb der EU in Deutschland einreisen mit dem Flugzeug, gelten als Außengrenzen, und deswegen würden wir sogar in Deutschland solche Inhaftierungen hier erleben. Und es bleiben viele Fragen auch offen. Die andere Frage: Die Menschen würden nicht sagen, da ist die Haf-Lager und ich gehe hin. Sie würden versuchen, diesen Haft-Lagern zu entgehen, dann erstmal gefährlichere und tödlichere Fluchtwege. Mehr Tote auf der Flucht würden wir erleben. Und auf der anderen Seite werden die Menschen hier zum Beispiel in Deutschland ohne Registrierung und an den Außengrenzen Europas, was bedeutet das? Bedeutet das, dass wir Moria 3.0 hier an der Grenze zwischen Bayern und Österreich haben würden? Das sind eher im Großen und Ganzen, und dann in den nächsten Tagen würden wir noch mal eine größere Entscheidung erleben, und zwar die politische Einigung über diese ganzen Verordnungen, also GEAS sind mehrere Verordnungen. Und das wird entweder diese Woche noch in zwei Tagen kommen oder vielleicht in zwei Wochen diese Entscheidung kommen. Da müssen wir alle wachsam sein und ein Protest tatsächlich dagegen leisten. #00:14:32-7#
Aisha Camara: Ja, ich finde es wichtig, dass wir auch am Ende noch mal ganz klar deutlich machen, was wir alle denn tun können, quasi um eventuelle Entwicklungen noch zu stoppen. Ich gebe mal ab an Marcus, der gerade, der auch zugehört hat. Stimmst du zu, kannst du ergänzen? #00:14:50-4#
Marcus Engler: Ja, ich kann einige Dinge vielleicht ergänzen. Ich meine, wir müssen auch den längerfristigen Kontext ein bisschen sehen. Ich meine, dieses gemeinsame europäische Asylsystem gibt's letztlich seit vielen Jahren, und es hat auch nie so funktioniert, wie das eigentlich die Gesetzgeber sich gedacht haben. Also, das berühmte Dublin System ist nicht nur aus menschenrechtlicher Sicht problematisch, weil eben unschuldige Menschen inhaftiert werden. Aber es funktioniert halt in der Praxis auch völlig anders, als es eigentlich auf dem Papier steht, und das ist vielleicht dann ein wichtiger Gedanke. Auch wir können das jetzt nicht antizipieren, wie am Ende so eine Reform sich wirklich auswirken wird. Aber ich finde, in der politischen Debatte nicht nur werden die Menschenrechte ein Stück weit marginalisiert, aber auch die Handlungsmöglichkeiten von schutzsuchenden und anderen Migranten, die kommen überhaupt nicht vor, also auch bei Migrationsabkommen. Ja, dann verhandelt Staat A mit Staat B, man schaut überhaupt nicht, was wollen eigentlich die Menschen, was machen die. Deswegen wird auch immer die Realität ganz anders aussehen als sich die politischen Entscheidungsträger*innen das denken. Und zurück zu der Entwicklung. Also, es gab ja schon viele Versuche, dieses europäische Asylsystem zu reformieren, weil auch viele Staaten sich überhaupt nicht, auch schon jetzt nicht daran halten an das geltende Recht. Das ist gescheitert, also politisch gescheitert 2017/18, ich meine, das wissen ja alle ein bisschen, die sehr unterschiedlichen Ideen von Regierungen in Europa. Minimalkonsens ist dann immer die Abschottung. Frontex wird gestärkt, Außengrenzen, bei denen man ja so tut, wenn man den deutschen Diskurs hört, als wären die komplett unbewacht. Das finde ich auch wirklich bemerkenswert, wie das Leute von der Union, aber auch andere immer wieder schaffen, den Eindruck entstehen zu lassen, als würden da keine Zäune überall stehen, als wären da nicht Drohnen, als wäre da nicht Grenzschutz, als würden da nicht Leute sterben. Das ist ja das, worauf sich die Staaten einigen können. Und letztlich war dann das politische Kalkül der Von der Leyen Kommission zu sagen, naja, wir müssen den rechten Regierungen entgegenkommen, dann haben wir vielleicht ne Chance, eine politische Einigung zu erzielen. So, und da haben die halt 2020 dann Vorschläge vorgelegt, den New Pact on Migration ans Asylum, und dann hatte man lange gedacht, ja, da passiert eigentlich nix, und die werden sich nie einigen können. Und gut, dann kam Covid und so weiter, und wir haben natürlich eine veränderte politische Landschaft jetzt. Immer mehr Regierungen haben rechte, immer mehr Länder haben rechte Regierung, und Deutschland war schon auch vorher in gewisser Weise eine Ausnahme, also eine der wenigen Regierung, die eigentlich auch ein Koalitions-Vertrag, noch so ein Commitment hatte zu letztlich einer wirklich menschenrechtsbasierten Politik. Auch wenn es immer um Fragen von Verteilung, Tareq hat ja schon Moria angesprochen. Leute, die von dort umverteilt werden sollten. Sehr wenige Staaten haben sich überhaupt nur daran beteiligt. Deutschland war eigentlich immer dabei, auch mit sehr geringen Zahlen. Okay, aber immerhin. Das Bemerkenswerte jetzt, dass wir vielleicht die liberalste Regierung auf dem Papier in Europa haben und auch in der vielleicht deutschen Geschichte. Und jetzt kommen diese Regierung mit der Beteilung der Grünen und sagen, all diese Beschlüsse auf EU-Ebene, die sind richtig so, und, also ich ende vielleicht hier gleich mal die erste Runde. Man kann natürlich über die Inhalte lange diskutieren, über Details, ich sehe auch sehr vieles sehr kritisch, und man kann natürlich auch, wenn man realistisch sieht, wie sind die Mehrheitsverhältnisse in Europa, sagen, ein viel besseres System könnte man vielleicht auch gerade gar nicht erreichen, obwohl, wenn ich es richtig sehe, schon die Deutsche Stimme in der Ratsentscheidung wichtig war. Ohne die Deutsche Stimme wäre es nicht gegangen, und das ja besorgniserregend war. Das ordnet sich ein, auch die nationale Ebene ist dann, dass es nicht nur, man sagt, ja, wir haben zugestimmt, weil Schengen und so weiter wäre in Gefahr, sondern dass man den Eindruck, erweckt, also auch von den Grünen und SPD, auch, dass das alles schon die Sache verbessern würde, dass wir ein besseres System hätten und alle möglichen Einwände. Wir waren auch, ich glaube, Pro Asyl, auch. Aber Kolleg*innen von mir waren auch in der Anhörung im Bundestag. Alles, was vorgebracht wird an Einwänden, Kritik wird einfach komplett ignoriert, und das ist schon eine wirklich neue Entwicklung. #00:19:25-7#
Aisha Camara: Okay, eine neue Entwicklung heißt auch, es gab vorher eine andere Entwicklung. Also, weil jetzt habt ihr beide im Prinzip gesagt, Europa, also Deutschland ist sozusagen ein Sonderfall im europäischen Diskurs, und in Europa gibt es eigentlich in Regierung, auch bei Menschen, so eine Stimmung, die eigentlich Flucht im besten Fall verhindern möchte. Ist das korrekt. Würdet ihr so weit gehen? #00:19:52-8#
Tareq Alaows: Ich würde auch noch weitergehen bei dieser Frage und sagen, und Geflüchtete als ein Problem für soziale Krisen darstellen. Also das ist genau, was wir durch zum großen Teil eine faktenfreie Debatte, die wir bei GEAS zum Beispiel hier auf deutscher Ebene erlebt haben, in dem das Bundesinnenministerium zum Beispiel sich oder Frau Faeser sich in die Öffentlichkeit stellt und sagt, Syrer*innen und Afghan*innen würden niemals in diese Grenzerfahrung kommen, was an sich faktenfrei ist. Also, wir haben einen Faktencheck für das BMI und für das Außenministerium, für die Aussagen von Annalena Baerbock und Nancy Faeser gemacht, und da hatten wir damals schon fast in jedem zweiten Satz über das Thema schon einen Punkt, wo wir reingrätschen könnten und sagen, na ja, das ist an sich nicht richtig. Ich würde sagen, auf Geflüchtete wird gerade die Schuld getragen für ein Versagen in der Sozialpolitik, die, über die Jahren passiert. Es ist nicht so, dass wir jetzt erst seitdem geflüchtete Menschen oder Ukrainer*innen hier haben, Mangel an Wohnraum, an Kita und Schulplätzen, dass Infrastrukturen nicht funktionieren. Das ist seit Jahren so und hat mit der Sozialpolitik nichts zu tun und nicht mit Menschen, die Schutz suchen, und deswegen kam ich auch auf den Begriff und vor allem von den Grünen und wie sie in diese Debatte eingestiegen sind, auf den Begriff Humanität und Ordnung, der ganz viel hinter sich hat. Also ein Thema. Humanität impliziert, dass wir den Menschen einen Gefallen tun, indem wir ihnen einfach ermöglichen, dass sie Asyl beantragen, und dann frage ich mich, wo sind unsere rechtsstaatlichen Prinzipien? Also, ich würde den Steuerzahler keinen Gefallen tun, indem ich ihm sage, du darfst eine Steuererklärung einreichen. Das ist sein Recht. Warum wird das auf geflüchteten Menschen so übertragen? Und das Thema Ordnung, die Einordnung haben wir von Marcus auch gehört. Das führt zu mehr Chaos. Also gerade gibt es Chaos an den Außengrenzen Europas, und es wird noch zu mehr Chaos führen, und deswegen glaube ich, in der jetzigen Debatte brauchen wir ein Rückkehr zu einem normalen Zustand. Und zu einem normalen Zustand gehört nicht, dass es normalisiert wird, dass Menschen im Mittel ertrinken, dass es normalisiert wird, dass Menschen inhaftiert werden an den Außengrenzen Europas, dass Menschen systematisch entrechtet werden. Zu einem normalen Zustand gehört, dass die Menschenrechte, die wir jetzt haben, die für alle gleich gelten sollen, einfach nur umgesetzt werden. Das ist genau, was wir in der jetzigen Debatte, aber auch in der jetzigen Politik brauchen. #00:22:36-0#
Hadija Haruna-Oelker: Ja, vielleicht kann ich da einen Gedanken zu fassen, weil jetzt so ein paar Schlagworte gefallen sind, die mir jetzt auffallen, wenn ich so, und das ist ja so ein bisschen mein Thema, was vermittelt sich? In der Migrationsdebatte geht ja auch vieles durcheinander. Du hast jetzt schon am Anfang den Rahmen gesetzt, Aisha, wir wollen über Europa reden. Nun ist es aber so, dass in so einem deutschen Diskurs schon alleine auch jetzt, während wir sprechen, das natürlich gar nicht getrennt betrachtet werden kann, weil nicht nur wegen der Rolle Deutschlands, sondern auch wegen der Argumentation, die über einen deutschen Diskurs geführt wird. Was will ich damit sagen? Also, wenn wir über GEAS sprechen und also die Frage von einer Aushöhlung des Asylrechts, Abschaffung individuellen Asylrechts, das ist ja so die große Frage, also sozusagen die Menschenrechte von Geflüchteten müssen nicht mehr beachtet werden, das wurde ja jetzt alles auch von Tareq formuliert. Aber worauf fällt das, auf welchen Boden, wenn in einem deutschen Diskurs gar nicht klar ist, über wen wir reden, und dieses Gefühl einer überlasteten Kommune oder das Gefühl von, das ist einfach die größte Zahl an Menschen, die gekommen sind seit 49, und auch nicht unterschieden wird, wer da gekommen ist, dass das Schutzsuchende sind. Wir haben es gehört aus der Ukraine, und das nur, ich glaube, 240.000 Schutzsuchende aus anderen Ländern sind, aus den großen Gruppen Afghanistan, Iran, Irak, Syrien, aber das sozusagen, dass diese Situation eine entschiedene ist von Deutschland, also man ein ganz anderes Narrativ ja eigentlich bräuchte, man wollte das machen, und hier kippt es dann auch. Also es ist gerade so eine Gemengelage, auf die das stößt man. Man wollte diese Menschen nicht, sie kommen, sie werden noch mehr kommen, und deswegen gibt es auch dieses Abschiebe-Narrativ und dieses Abschiebe-Narrativ, das koppelt sich halt an ein, nicht nur ein Deutschland-Narrativ, sondern ein EU-Narrativ, weil das ist so ein bisschen dieses was können Rezipienten oder Zuschauer, das Publikum überhaupt noch aufnehmen, und da vermischt sich das eben. Und für mich ist es, eben viel das Wort ja auch Fakten, wenn ich so versuche, jetzt zu sprechen, zu schreiben, zu moderieren oder what ever, dann sehe ich einfach so, was Tareq auch eben gesagt hat, dass man eigentlich merkt, dass an ganz vielen Ebenen eben faktenfrei diskutiert wird, weil alle, sei es im politischen Bereich, also nehmen wir den politischen Bereich, das Gefühl herrscht, das Ding einfangen zu müssen, und sich entweder politische Interessen im Hinblick auf eine Wahl darin vermischen, oder aber auch die faktische Tatsache, dass Migration, und das wäre mein Abschließendes zu dieser Runde, der ersten Runde, dass die Wahrnehmung von Migration in Deutschland schon immer eine problematische war. Also, ich glaube, das Grundproblem ist einfach die Nichtanerkennung der Migrationsgesellschaft, des Einwanderungslandes Deutschland, noch immer und schon immer und auch immer noch, obwohl das eine faktische Tatsache ist, und deswegen kann es überhaupt nur funktionieren, dass diese, dass jetzt eine Neunzigerjahre, einen Asylkompromiss gefeiert werden kann und vergessen werden kann, dass das die Baseballschläger-Jahre waren, basiert auf einer nicht Erzählung von den Menschen mit Migrationsgeschichte, die diese Jahre eben erlebt haben, und auf einem Wissen, auf das man aufbauen könnte und anerkennen würde, dass das so heute nicht mehr laufen darf. Also, hier fehlt auch so ein Erinnern an früher. Und wer sind die Menschen in Deutschland? Und dann rede ich noch gar nicht mal über die, die jetzt noch kommen werden oder die gerade gekommen sind, sondern über die, die da sind und in der X-ten Generation hier leben und sich, nehme ich ein bisschen sehr platt, ein bisschen auf den Arm genommen fühlen, wenn Zeiten und Politiken gefeiert werden, die eigentlich schon damals rechte Ressentiments geschürt haben, und heute brauchen sie die nicht schüren. Wir sehen, letzter Satz, an der an dem Schrumpfen der Mitte und einem innerhalb Verrücken nach rechts der Gesellschaft, dass dieser Zustand der Polarisierung und des Beschuldigen von Migranten einfach normal geworden ist, und das muss man so sagen, es gehört jetzt dazu. #00:26:52-6#
Aisha Camara: Ja, dann können wir eigentlich genau die Diskussion fast beenden, wenn wir sagen, gut, Migration wollte nie jemand haben, und so weiter und so fort. Allerdings haben wir auch einen Koalitionsvertrag, der was anderes sagt. Also ist das für euch ein wieder back to the nineties? Viele sagen sozusagen, das war die ganze Zeit Kontinuität. Also was ist anders dann doch als in den 90er Jahren für euch? Und hat das alles nicht mal ganz gut begonnen? Und man muss ja so ein bisschen auch-, jetzt sind wir hier alle so im absoluten Konsens. Wir würden ja jetzt Kritiker*innen auch zurückspielen und sagen, ja, aber jetzt geriet ja was außer Kontrolle, und jetzt ist ja überlastet, und jetzt ist es ja ganz anders. Also, wie argumentieren wir uns daraus, oder ihr euch in euren Gesprächen? Marcus, du hast gerade genickt, deswegen, vielleicht magst du? #00:27:46-7#
Marcus Engler: Ja, ich kann zu sehr vielen Dingen auch, die gerade schon gesagt wurden, auch noch Sachen ergänzen. Aber ich frage jetzt natürlich bisschen, welchen Zeithorizont wir uns anschauen. Das ist ganz interessant, und dann müssen wir unterscheiden zwischen einmal dem bestehenden Recht und politischen Diskursen, politischen Entscheidungen, und dann wird das Bild auch noch ein bisschen komplizierter. Also, wenn wir uns jetzt das Flüchtlingsrecht mal so rausnehmen, dann ist es schon so, dass wir jetzt auf einem ganz anderen Niveau sind als in den 90er-Jahre. Schutzsuchende haben sehr viel, also jetzt, ich rede jetzt von Deutschland, sehr viel mehr Rechte. In den 90er Jahren sind sehr viele in dem Zustand der Duldung geblieben, es gab eine sehr geringe Schutzquoten, ja, 5 Prozent oder so. Die Menschen sind ein de fakto dageblieben, hatten keinen Zugang zur Gesellschaft und so weiter. Da haben wir natürlich, da gibt es einmal innenpolitische Entwicklung, es gibt europapolitische Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass eigentlich das Flüchtlingsrecht deutlich solider ist, und die Frage ist jetzt natürlich, also, ist die Institution des Rechts letztlich und auch der letztlich Konsens in der Gesellschaft, der dahinter ist, ist das solide genug, dass wir jetzt vielleicht über Verschärfung reden, über Restriktionen, aber trotzdem wir auf nem hohen Plateau irgendwie dennoch bleiben? Das ist eine offene Frage. Das müssen wir abwarten, weil, auch wenn wir jetzt noch mal-, du hast auch gesagt Koalitionsvertrag, wenn wir uns das anschauen, das ist wahrscheinlich so das liberalste migrationspolitische Programm, irgendwie einer Regierung jedenfalls, die ich kenne, und jetzt sprechen wir heute, zwei Jahre später, unter dem Eindruck einerseits von ja jetzt auch im Parlament ankommenden Gesetzgebungsverfahren, wo Restriktionen im Zentrum stehen. Vorher hatten wir schon diese Beschlüsse von den Ministerpräsidenten, von den MPKs, die aber letztlich ja erst mal nicht direkte Wirkung haben, wie-, ich habe gerade das Parlamentsprotokoll vorhin angeguckt von der Debatte von, ich glaube, von gestern. Filiz Polat hat auch gesagt, das Parlament sind immer noch wir. Da können die Ministerpräsidenten alles Mögliche erst mal fordern, beschließen, aber es muss erst mal noch durchs Parlament kommen, und wenn wir die bisherige Gesamtbilanz der Bundesregierung anschauen, sehen wir schon auch eine ganze Reihe von so eher liberalen Gesetzesvorhaben, also, ich will die gar nicht im Detail alles durchgehen. Aber so Chancenaufenthaltsrecht beispielsweise. Natürlich auch in der Debatte von Fachkräfte-Einwanderung. Ja, sehr große Liberalisierungsschritte und auch kleinere Liberalisierungsschritte hier und da. Im Moment haben wir einen vollkommen gegensätzlichen Trend in der politischen Debatte, aber auch in Gesetzgebung jetzt mittlerweile, und das wird auch noch sehr spannend sein. Ich mein, wie politische Parteien jetzt tatsächlich damit umgehen, weil wir hatten diese politischen Konflikte auch in der früheren Regierung, wenn man sich erinnert, die CSU, die eigentlich die Regierung verlassen wollte, weil Migration die Mutter aller Probleme, die waren bereit, es aufzukündigen. Jetzt haben wir diese Konflikte innerhalb der Grünen, innerhalb der SPD, auch zwischen FDP, Grüne und SPD und natürlich auch mit der Regierung, mit der Opposition sehr stark, und ich sehe es so, dass wir es eigentlich mit einer, leider, muss man sagen, sehr erfolgreichen Kampagne vor der CDU zu tun haben, also dass die AfD solche Texte immer redet ist klar, aber sie würden nicht diese Resonanz bekommen, wenn nicht Friedrich Merz sich entschieden hätte, vor etwas mehr einem Jahr dieses Thema zentral zu setzen und eine Provokation nach der anderen zu machen, ja, bis hin zu wir kündigen das individuelle Asylrecht vielleicht auf, was, darüber haben wir gar nicht Zeit zu reden, letztlich eine ausstrahlende Wirkung hat, weit über Europa hinaus. Wir reden dann darüber. Das globale Flüchtlings-Regime, was eigentlich gestärkt werden müsste, wird in Frage gestellt durch solche Aussagen. Solche Botschaften werden durchaus gehört, weil sie auch nicht nur aus Deutschland kommen, sondern auch aus Dänemark, aus vielen europäischen Staaten, die letztlich sagen, wir wollen Flüchtlingsschutz externalisieren und so weiter, und da sortiert sich das ein und das, was jemand kritisieren muss, aber was gleichzeitig auch schon geradezu erschreckend ist, fast schon faszinierend, wie wirklich auch Parteien der Regierung einfach auf diese Kampagne der Union keine Antwort hatten, rhetorisch und eine Zeit lang immer gesagt haben, wir machen keine Grenzkontrollen, wir machen keine weiteren Verschärfungen und dann haben sie all das irgendwann doch gemacht, weil sie, und das nehme ich auch mit aus vielen Gesprächen mit Politiker*innen. Das hört man im europäischen Parlament, man hört es im Bundestag, man hört, die sagen, naja, es ist quasi alternativlos mehr oder weniger. Es funktioniert, wenn populistische Parteien oder Parteien der Mitte rechts Ängste schüren. Das funktioniert, und irgendwie haben sie keine Idee, was sie dem entgegensetzen sollen, und haben letztlich diesen Konflikt diskursiv irgendwie aufgegeben und sind, glaub ich, einigermaßen ratlos. Und wenn man genauer hinguckt, dann sieht man natürlich ganz viele Leute, mit denen ich auch rede bei den Grünen, bei der SPD. Ich finde das alles schrecklich, was da gerade passiert. Aber es gibt keinen Mut, keine politischen Mehrheiten, irgendwas anderes zu entscheiden. #00:33:01-3#
Hadija Haruna-Oelker: Ja, darf ich da was ergänzen? Eine Beobachtung, weil ich es interessant finde, wenn du sagst, es gibt keine Idee. Ich würde auch sagen, auf der einen Seite gibt es keine Idee, und auf der anderen Seite gibt es aber schon irgendwie eine Idee, und die heißt, ich hatte jetzt gerade eine Streitbar moderiert, kann ich auch nur empfehlen. Da streiten Maximilian Pichl und Victoria Rietig, und sie brachten mich eigentlich jetzt auf diesen Gedanken, darüber auch nachzudenken, dass dieses Narrativ, was wir auch sehen, und ich will jetzt gar nicht nur über den Abschiebe-Kanzler auf dem Cover reden, weil das ist auch eine Entscheidung eines Spiegels gewesen, das so zu framen, und wir müssten auch über Framing reden, und ob alle Narrative so stimmen, wenn man dann genau hinschaut. Aber ein Narrativ, und ich glaube, das ist schon etwas, was man erzählen will, ist, weil es eine Europäisierung der Migrationsdebatte gibt im Unterschied zu früher, und weil heute auch mehr gesprochen wird und mehr Kenntnisse, also wir wissen heute einfach mehr, das muss man schon sagen. Also, wir sind schon informierter, auch wenn die Fakten oft verloren gehen. Aber es gibt eine Tendenz, die heißt, wir heute, weil wir ein besseres System haben, weil wir Migration haben, weil wir mehr wissen, müssen wir auch über Abschiebungen und Integration und Abschiebung reden, und ich glaube, diese Kombination einer Politik, die das zusammen besprechbar machen will, das ist so ein Weg, den ich gerade herauslese, wenn es darum geht, Migrationspakte abschließen zu wollen und so diesen Anspruch zu haben, wir müssen aber darüber reden. Es ist so, als ob es so der Versuch ist, ich sage jetzt mal banal, man darf nicht pro Asyl sein und sagen, kein Mensch ist illegal, sondern man muss sagen, es gibt sie auch, und deswegen müssen wir auch abschieben, und wir müssen das gut machen können und gibt es keine Wege, das menschenrechtsbasiert zu machen? Ich glaube, diese Frage steht im Raum, und ich glaube, mit der, und das haben, glaube ich, sich alle auf die Fahne geschrieben. Warum? Weil es keinen Rückweg mehr gibt gerade zu einer sich über die Jahre in diese Richtung nach rechts oder wie auch immer wir es nennen wollen, entwickelnde Politik zu finden, und weil es keine Antworten gab, und die hätte es gegeben, letzter Satz dazu, aus 2015: die Stärkung der Kommunen und all diese Konzepte, die es gegeben hat, best practice, die auszubauen, die es gut vorgelebt haben, die Strukturen vorzubereiten, weil man hätte wissen können, dass die Geschichte nicht zu Ende ist, weil die Krisen auf der Welt weitergehen und übermorgen auch und wir die nächste Krise jetzt schon serviert bekommen haben. Man hat sich wieder nicht vorbereitet. Warum? Weil Migration keine Selbstverständlichkeit ist. Ich fand einen Ansatz, der war sehr nüchtern von Victoria Rietig, über die man sich sicherlich in dieser Streitbar sehr gestritten hat, gesagt, solange Migration nicht als eine Tatsache anerkannt wird, passiert auf der einen Seite, dass man vergisst, also man spricht nicht mehr, also man sieht es nicht als eine reale Tatsache, die immerwährend da ist. Auf der anderen Seite, wenn man es zu sehr so sieht, als eine Tatsache, vergisst man die Menschen und verhandelt, als ob man über Objekte und irgendwelche Würfel spricht, die man hin und herschieben kann, und beides findet gerade statt. #00:36:10-5#
Aisha Camara: Würdet ihr nicht auch sagen, es ist auch so ein bisschen der Versuch, alle Zielgruppen zu erreichen, also Humanität für die, die vielleicht auch die Grünen oder die Bundesregierung mal gewählt haben? Ordnung. Auch Ursula von der Leyen hat ja auch sowas gesagt wie Grenzen schützen und dann Menschen schützen oder so. Ist es der Versuch, alle mitzunehmen, weil andererseits-, Tareq, du hast-. #00:36:38-1#
Tareq Alaows: Kann man alle Menschen mitnehmen? Das ist die Frage. Also mit populistischen Narrativen kann man Menschen abholen? Also, ich beobachte die Debatte in der letzten Zeit. Die wenigste Partei, die sich dazu geäußert hat, war die AfD. Sie haben nur Ergebnisse bekommen. Sie haben ihre Äußerungen in 2017 gemacht. Gerade leitet die Union die Debatte und springt die Bundesregierung darauf ein, und deswegen weiß ich nicht, ob das wirklich die beste Strategie ist, also wenn sie das als eine politische Strategie nennen. Ich weiß nicht, ob das die beste Strategie ist, und ich würde gerne so eine Sache vielleicht, ich weiß nicht, ob das ein Widerspruch oder eine Ergänzung ist. Ich spreche auch mit vielen Parlamentariern, die sagen, es war eine bewusste Entscheidung, dass wir nicht über das Thema sprechen. Das heißt, sie hätten die Möglichkeiten, ein Konzept zu entwickeln. Aber es war eine bewusste Entscheidung, dass sie nicht über Migration sprechen, und dann haben sie diese Debatte komplett gedrängt, anstatt zu ihrer Position standhaft zu bleiben und in der Öffentlichkeit einfach zu begründen, warum sie einen anderen Wind in der Migrationspolitik gerade brauchen. Und es ist nicht so, dass es keine Lösungen gibt. Es ist nur so, dass die Fragestellung, die Ausgangslage einfach ganz falsch definiert wird. Wenn man alle mögliche Lösungen dahin richtet, dass weniger Menschen ankommen, dann wird man niemals Lösungen finden, weil wir haben ja darüber gesprochen, Migration ist ein Fakt und Menschen migrieren seit Jahrtausenden, und es war bisher noch nie so ein Problem in irgendeiner Gesellschaft, außer in den letzten Jahren in Europa. Wenn man das so sieht und versucht, dann dafür die Rahmenbedingungen anders zu machen, dann wird das einfach gelöst werden, und wir haben schon-, also in einer meiner Debatten oder in einer Podiumsdiskussion wurde mir die Frage gestellt, also, was wäre dann ein besseres Beispiel als Deutschland weltweit für die Aufnahme von geflüchteten Menschen? Und dann war die Antwort von mir: Deutschland. In der Frage der Aufnahme der ukrainischen Menschen. Die Aufnahme der Menschen aus der Ukraine hat uns gezeigt, dass all diese Debatten über Kapazitäten und irgendwas von 2015 scheinheilig waren, dass es möglich wäre, wenn die Zivilgesellschaft und die Politik Menschen es ermöglichen, hier anzukommen, aufgenommen zu werden, dass das einfach nur politische Entscheidungen sind. Die Menschen hatten direkten Rechtschutz. Die Menschen, für sie war es möglich, ihren Wohnort auszuwählen. Dann sind die Menschen dorthin gegangen, wo sie Menschen kennen, wo sie privat untergebracht werden. Dann hätten wir die Quote über 70 Prozent der Menschen aus der Ukraine wurden privat untergebracht. Tatsächlich, ohne diese Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und der Politik hätte diese Aufnahme überhaupt nicht geklappt und wären die Aufnahmestrukturen seit der ersten Woche komplett zusammengebrochen. Nur, wir haben jetzt so viele Menschen aus Syrien oder aus Afghanistan oder aus anderen Ländern, deren Familienmitglieder gerade ankommen. Ich kenne Menschen, die in Berlin wohnen, die Platz für ihre Familienmitglieder haben, aber die Familienmitglieder wurden einfach nach Bayern geschickt, weil diese Möglichkeiten für die Menschen nicht möglich wären. Wir haben selbst an die Bundesregierung öfter die Vorschläge gemacht, solche Auflagen aufzuheben, die Arbeitsverbote aufzuheben für alle Menschen. Viele Menschen wollen arbeiten, sind mit Arbeitsverboten begegnet, und dann ist die Frage dann für mich nicht, ob es Lösungen gibt, sondern gibt es den politischen Willen, es zu lösen? Eine andere Migrationspolitik ist eine politische Entscheidung, wenn es den politischen Willen dazu gibt, und das sehe ich gerade nicht, also überhaupt nicht in der Debatte, und mir fehlt dann - sorry, der letzte Satz - mir fehlt dann auf der anderen Seite eine linke Opposition. Wir haben einfach eine rechte Opposition, die einfach rechte Debatten in die Öffentlichkeit bringt. Wir haben keine funktionierende, bisher linke Partei im Bundestag, und wir haben tatsächlich keine außerparlamentarische Opposition im Sinne von der Zivilgesellschaft. Wo sind die Menschen? Wo sind die Zehntausende? Die 100.000e, die wegen Carola Rackete auf die Straße gegangen sind, die gegen das Sterben und das Ertrinken auf dem Mittelmehr auf die Straßen gegangen sind? Die sehe ich nicht mehr, und die sind, die leben noch da. Ne, also, wir müssen damit leben, dass es bis 20 Prozent Menschen gibt, die die AfD wählen würden. Aber wo sind die restlichen 80 Prozent in unserer Gesellschaft? Warum haben wir es gemütlich gehabt? Und dann widersprechen wir dieser systematischen Entrechtung auf der anderen Seite nicht. #00:41:27-9#
Aisha Camara: Das ist eine gute Frage. Was ich unbedingt, bevor wir auch nochmal über die Parteien, nicht nur CDU, sprechen wollen, was ich dich unbedingt noch fragen wollte, Tareq, also, wir haben jetzt ja gesprochen, der Diskurs ist ein anderer, es wird über Verschärfungen gesprochen. Wirkt sich das denn aktuell schon bereits auf geflüchtete Menschen in Deutschland aus und wie? #00:41:51-7#
Tareq Alaows: Ich zitiere einen guten Freund von mir, der sagt, ich packe meine Sachen zusammen, ich weiß nur leider nicht, wohin ich nochmal flüchten muss. Ich kann nicht wieder nach, und ich stecke hier fest. Ich habe aber viel Angst, weil diese ganzen Debatten, die gerade in der Öffentlichkeit auftauchen, haben ihre konkreten Auswirkungen auf unser Leben. Wir sehen das anhand von Zahlen, durch Angriffe an geflüchtete Menschen oder ihre Unterkünfte schon, und ich befürchte, dass das noch schwieriger wird. Wenn demokratische Parteien die Position der AfD einfach komplett übernehmen, dann bleibt der AfD und ihren Anhängern nur noch, extremistischer zu werden, und es wirkt einfach in der Realität von Leben. Ein Freund von mir, Jian Omar, ist ein syrischstämmiger grüner Abgeordneter in Berlin. Der wurde zum vierten Mal wiederholt von derselben Person mit einem Hammer vor seinem Wahlkreisbüro in Berlin angegriffen, immer wieder von derselben Person, und da sehen wir einfach tatsächlich, dass das Auswirkungen auf Menschenleben hat, auch durch die Abschiebungen. Ein Abschiebe-Fall in den Irak von einer jesidischen Person, von der ich mitbekommen habe, da war aufgrund der Abschiebung von einer jesidischen Person, und gegen diese Gruppe gab es ein Genozid im Nordirak, durch den IS. Die Person hatte schon die Traumatisierung, und dann hat das dazu geführt, dass die Person retraumatisiert wird, wochenlang auf der Straße gelebt hat, zwei, drei Wochen. Es wird nicht garantiert, dass diese Person dann menschenwürdig im Irak ankommen wird, und dann hat die Person sich tatsächlich drei Wochen nach der Abschiebung leider umgebracht, und da sehen wir, dass diese Debatten dazu führen würden, dass Menschenleben beendet wird. #00:43:51-8#
Aisha Camara: Die Debatten kosten Menschenleben. Das ist total schlimm und tragisch und Haija, du hattest ja zu Beginn noch mal gesagt, dass wir in dieser Migrationsdebatte ja ganz oft gar nicht wissen, worüber wir sprechen. Ich habe jetzt Tareq nach wirklich konkreten Auswirkungen auf geflüchtete Personen befragt, aber wir haben sozusagen eine postmigrantische Gesellschaft. Es fühlen sich ganz viele Menschen von diesen Diskursen adressiert, auch du, auch ich. Im Zweifel kannst du vielleicht auch noch mal darüber sprechen, was du beobachtest hast, welche Gespräche du führst auch unter Menschen, die sozusagen gar nicht betroffen sind, denen jetzt keine Abschiebung droht aufgrund dieser Verschärfung, aber die das sehr wohl natürlich beschäftigt und adressiert. #00:44:41-5#
Hadija Haruna-Oelker: Na ja, so nicht richtig trennen lässt sich das ja nicht, weil natürlich auch gerade, Tareq hat es ja auch gesagt, Familienmitglieder kommen ja auch. Wir sind eine Migrationsgesellschaft verschiedener Generationen, und die Familie, die du ja gerade bebildert hast, die einen leben in Hamburg, und die anderen sind in Bayern und können sich nicht treffen, und wir haben ukrainische Geflüchtete, wo man sehen kann, wie eine Aufnahmegesellschaft, so nenne ich es jetzt auch einfach mal, funktionieren kann, und ich glaube, bevor ich sage, was das mit dem deutschen Diskurs macht, ich habe irgendwie so das Gefühl oder was mir fehlt in vielem, ist einfach, und natürlich würde ich mir das auch von der Politik wünschen, ist so eine gewisse Form der Ehrlichkeit. Also weil ich glaube, dass diese Frage von, die jetzt so instrumentalisiert werden kann, von einer von einer CDU aka Herr Merz, der ja auch keine Lösung bietet, sondern einfach nur brüllt und also tatsächlich literally brüllt und öffnet, aber auch keine Lösung hat und auch nicht wüsste, wie er, wenn er an der Macht wäre, das Thema jetzt lösen würde, weil es dafür ja auch so gesehen keine Lösung gibt. Es gibt ja nur eine Lösung, und deswegen finde ich in diesem Begriff Humanität – was hast du gesagt? – und Ordnung. Ich würde so gerne mal diese Ordnung hinterfragen, also welches Ordnungsprinzip versteht eigentlich wer unter was? Weil, wenn ich über Ordnungsprinzip geregelte Arbeitsmigration verstehen würde, also Zugänge für Menschen, überhaupt nach Deutschland zu kommen, weil sie arbeiten wollen, weil sie Zugänge bekommen und so weiter, dann würde ich dieses Ordnungsprinzip vielleicht begrüßen, weil diese Politiken haben wir nicht. Deswegen machen sich Menschen auch in diesem sehr beliebten Wort irregulär über die Meere auf die Flucht, weil es einfach keinen Zugang gibt. Wenn wir unter Ordnung verstehen würden, ein Asylrecht zu haben, das nachvollziehbar ist, das nicht über den Haufen geworfen wird, sondern auch ein, und das ist, glaube ich, auch ein Punkt, wo Ordnung auch Vermittlung bedeutet, und das ist nämlich – jetzt komme ich zur Brücke zur Migrationsgesellschaft – die Vermittlung innerhalb von Communitys, innerhalb von hier geborenen zweite Generation, dritte Generation, aber auch derer, die jetzt schon 30 Jahre hier sind. Es vermittelt sich nicht, und es gibt ja auch Hierarchien, die sich innerhalb der Communitys bilden, also das ist ja auch ein Problem, das wir haben, dass auch selbst in den migrantisierten Communitys auch der Wille zur Aufnahmebereitschaft zum Teil fehlt. Warum? Weil diese Vermittlung, was bedeutet das für Deutschland, dieses Selbstverständnis fehlt und dann, wenn nur zwischen Schmarotzern, sag ich jetzt mal, und Fachkräften argumentiert wird, aber für Fachkräfte, jeder denkt irgendwie, das sind lauter Greencard Professor*innen, die gesucht werden und nicht verstanden wird, dass Arbeiter*innen gesucht werden, Pflegekräfte, die zum Teil illegalisiert hier arbeiten und aus Südamerika kommen. Also alles das, was es bräuchte für eine Migrationsgesellschaft, die wir sind, ist erklären, wer sind wir, wer sind wir geworden? Und nicht mal die Frage, wen wollen wir? Weil wir brauchen keine Nützlichkeitsdebatten mehr. Ich finde es super schwierig, dass das Einzige, was im politischen Raum möglich ist, ist über Nützlichkeit zu formulieren, also dass wir Fachkräfte brauchen und alle gähnen, weil die 400.000, die wir brauchen, es kommt doch Hunderttausende. Warum? Wer sind denn die Leute? Wen brauchen wir? Also ihr merkt so, ich bin ein bisschen überspitzend. Aber hier liegt für mich ein Narrativ, dass die Politik noch nicht verstanden hat, die Ampel Regierung auch nicht deswegen umsetzen kann, weil natürlich auch in dieser Ampel unterschiedliche Vorstellungen herrschen, was diese Migrationserzählungen angeht. Deswegen wird halt gar nichts erzählt, oder es wird halt irgendwie versucht, so zu reagieren. Aber die eigentliche Erzählung wäre eine ehrliche Erzählung. Sie wäre eine ehrliche Erzählung über die Menschen, die schon lange hier sind, und zwar wieder nicht, die es geschafft haben, also positive Integrationsgeschichten, sondern auch diejenigen, die es aus welchen Gründen nicht geschafft haben. Denn – letzte Sache, die mir wichtig ist – in dieser Debatte jetzt um diese Arbeitsbedingungen. Es ist ja jetzt im Raum Chancenaufenthaltsrecht, okay, die Reform vom Staatsbürgerschaftsrecht lass ich jetzt mal weg. Aber Chancenaufenthaltsrecht, aber auch diese Verkürzten ermöglichen, dass man schneller in Arbeit kommt, und da wurde auch in politischen Räumen die Frage gestellt, ja, dass es doch eine sehr große Gruppe gibt, ich meine an geduldeten Menschen, die halt über XYZ Jahre, Jahrzehnte nicht arbeiten dürfen, dass das natürlich jetzt eine ungleiche Gemengelage gibt, dass es auch hier eine Kommunikation braucht, dass die Menschen, dass es ein Kulturwandel braucht, der bedeutet, du darfst es jetzt bei Arbeitgebern, bei Unternehmen. Die Unternehmen sind ja schon längst da, die Handwerksbetriebe sagen schon lange, wir möchten so gerne. Es bedarf so einen ganz anderen Ansatz in dieser Erzählung, damit es überhaupt durchsickert, sowohl bei den geflüchteten, sowohl bei der Migrationsgesellschaft, sowohl bei den Unternehmen als auch bei den ganz norm-, den Menschen, die keine Medien konsumieren und einfach nur merken, irgendwie sehen die alle gleich aus. Weil das ist halt das Problem. Wir sehen ja alle gleich aus. Jetzt sehr banal gesprochen, man kann uns ja sowieso nicht unterscheiden, und dieses Verständnis ist im politischen Raum nicht da. Warum? Weil es ein sehr homogener Raum ist, und dieser homogene Raum kennt die Migrationsgesellschaft in großen Teilen nicht und kann deswegen diese Dynamiken des intergenerationalen und der Hierarchien und vermeintliche Rankings gar nicht verstehen. #00:50:18-6#
Aisha Camara: Marcus
Marcus Engler: Ja, ich glaube, es ist eine Analyse. Ich verstehe die Kritik und auch den Frust natürlich darüber. Ich glaube, das ist in einer Analyse, da würde ich sagen, ein bisschen überspitzt. Also ich meine, natürlich sehen wir, dass auch politische Eliten vielfältig werden, und du hast ja auch angedeutet, ich meine, auch bei der AfD gibt es viele Leute mit Einwanderungsgeschichte, und die AfD hat auch als politische Kampagne, mehr Leute mit Einwanderungsbiographie irgendwie als Klientel zu gewinnen. Also, es ist durchaus nochmal widersprüchlicher, und ich hatte auch neulich eine Debatte hier bei uns im Haus, auch mit jemanden aus dem Bundestag, ein Abgeordneter, der meinte, ja, wir bräuchten andere Erzählungen, andere Narrative und so weiter, so ähnlich, wie du es auch gerade gesagt hast. Aber ich meine, das könnten Politiker*innen nicht machen, weil denen würde eh keiner mehr glauben. Das finde ich schlimm. Ja, auch natürlich, man kann sich leicht ja von der Aufgabe befreien. Aber ich finde, wir müssen, ich glaube sogar, ich würde mal die These vorsichtig wagen, vielleicht kriege ich dafür gleich vielleicht total Kritik, dass die Situation vielleicht sogar besser ist als die Stimmung. Ich glaube tatsächlich, also es gibt Gewalt und Diskriminierung, Rassismus aber das ist für mich eigentlich, ich glaube, keine völlig neue Entwicklung. Das war irgendwie immer da. Es gibt auch in der Wissenschaft Streit darüber, ob wir jetzt mehr Polarisierung oder weniger haben, also das hängt auch von den Methoden ein bisschen ab. Steffen Mau und seine Co Autor*innen, die irgendwie sagen, na ja, eigentlich die Gesellschaft ist nicht mehr gespalten, die Wertvorstellung sind relativ stabil. In der politischen Debatte hat man irgendwie einen anderen Eindruck und klar, es sind jetzt nicht nur Politiker*innen im engeren Sinne, es sind auch natürlich Medien, die sich daran beteiligen, und irgendwie trotzdem finde ich, um den Fokus nochmal auf die Politik zu legen und auch natürlich die Ampel-Koalition und auch die Grünen, das Cover von Olaf Scholz, da geht es um das Senden politischer Botschaften. Ganz bewusst, das wollte man genau so. Ich habe dann auch mit Leuten aus dem Umfeld gesprochen, und die meinten ja, das war nur mal so ein Statement, was der Scholz da setzen wollte. Wir kritisieren ja trotzdem und reden irgendwie weiter, und auch bei den Grünen. Aber am Ende werden die politischen Entscheidungen im Moment doch so restriktiv getroffen, obwohl wir jetzt mal abwarten müssen bei diesen Gesetzen, ob sich doch noch ein bisschen was tut, beim Rückkehrverbesserungsgesetz, und auch da ist ja ganz interessant, dass sogar laut BMI ist die Erwartung, dass das zur Abschiebung von 600 mehr Leuten führen würde. Okay, da würden natürlich trotzdem mehr Leute drunter leiden. Aber es ist auch völlig klar, genau auch wie dieser ganzen Pull-Faktor Debatten, ob es jetzt sozusagen Bezahlkarten, ob es Grenzkontrollen, all das ist letztlich politische Kommunikation, auch Migrationsabkommen, politische Kommunikation. Ja, wir regeln das, Humanität und Ordnung machen da Abkommen, und dann wird alles-, wie das sich dann tatsächlich in reale Politik und auch auf die Lebenssituation von Menschen auswirken wird. Das ist erstens total kompliziert zu analysieren. Das ist ja mein Job als Forscher teilweise das nachzuvollziehen, ja, sowas wie das Türkei-Statement, was sind wirklich genau die Folgen? Das ist gar nicht mal so einfach, das genau nachzuvollziehen. Die politische Diskussion ist eher so ein Storytelling, so wie wahrscheinlich jetzt noch im Diskurs aufkommen wird: Hey, wir haben Grenzkontrollen gemacht, die Zahlen gehen irgendwie runter, also, man muss irgendwie begründen und zeigen, dass man irgendwas tut. Ich finde dieses Drehen dann immer wieder an den gleichen Stellschrauben, wenn wir über längere Zeiträume gucken, Asylbewerberleistungsgesetz. Also nur so ein Beispiel, wie lange kriegt man diese abgesenkten Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz? So. Das wurde mal eingeführt mit einem Jahr in den 90er Jahren, das wurde dann immer wieder erhöht auf bis zu 48 Monate, also vier Jahre. Dann hat man wieder gesagt, ja, ist zu lang, dann hat man es reduziert, 36 Monate bis auf zwölf Monate, so, jetzt hat man es vor kurzem wieder auf 15, es wieder auf 18. Ich meine, das ist totaler Aktionismus und eine Hilflosigkeit, die eigentlich nur politische Botschaften senden soll, und da gibt's zwei Dinge, die man sich fragen kann. Einerseits, es scheint ja auch für die Parteien als politische Strategie nicht erfolgreich zu sein. Das wurde ja immer und wieder gesagt. Wir sehen nicht, dass die SPD oder die Grünen oder auch die FDP, wenn sie jetzt plötzlich da restriktiver argumentiert, irgendwie plötzlich sehr viel mehr Wählerpotential hat. Wir sehen das überhaupt nicht, und die Frage ist, warum sie es dann trotzdem machen, warum sie trotzdem denken, die politischen relevanten Leute, dass das nötig ist, um irgendwie die Bevölkerung zu beruhigen. Das finde ich-, also ich habe es noch nicht richtig verstanden, wie diese Abkopplung von der Empirie irgendwie auch eigentlich nicht funktioniert, und ich finde, das müssen wir wirklich auch auseinanderhalten, dass es vielen Leuten, ich meine, der Union, Merz, und den Leuten, den geht's überhaupt nicht um reale Politik. Das ist reine politische Kommunikation und es wurde ja auch oft schon gesagt, dass es auch gefährlich ist, weil also nicht nur dass -. #00:55:21-5#
Aisha Camara: - die Zielgruppen, weil letztlich haben wir Statistiken, die besagen, 80 Prozent oder ich weiß nicht, 70 Prozent aller Menschen in Deutschland halten Migration für ein Problem, sagen, Geflüchtete sind zu viele. Also letztlich produzieren diese Debatten ja vielleicht auch diese Studienergebnisse. #00:55:38-5#
Marcus Engler: Absolut! Ja, das ist- #00:55:43-0#
Aisha Camara: Es geht aber auch dabei, sich zu profilieren und sich wieder wählen zu lassen folglich. #00:55:47-6#
Marcus Engler: Genau, Politik stellt es so dar, auch im europäischen Parlament ganz oft – Tareq wird es 100 mal gehört haben. Also, wenn wir jetzt nicht diesen GEAS-Beschluss machen, so, demnächst kommen noch so die richtig rechten Regierungen ran, die machen noch viel schlimmere Sachen. Deswegen machen wir jetzt schon so bisschen rechte Sachen. Die würden das anders nennen, aber das ist so, die sperren sich da selber komplett ein in diesem Narrativ und haben null Vertrauen, dass, wenn sie andere Dinge sagen würden-, das ist auch mit einer meiner größten Kritiken auch an Olaf Scholz und noch Andere, dass sie nicht die Zusammenhänge erklären und denken, die Bevölkerung will Restriktionen. Wir liefern Restriktionen auf der kommunikativen Ebene, und damit löst man kein Problem. Aber das ist das, was wir gerade sehen. #00:56:27-9#
Aisha Camara: Tareq, vielleicht möchtest du auch noch mal über eine Einordnung vielleicht auch gerade der Grünen nochmal vornehmen? Das ist, glaube ich, hier im Kontext auch der Veranstalter*innnen wichtig, aber vielleicht auch nochmal ergänzen, weil politische Kommunikation ist ja auch dein Themenfeld. Du kommunizierst aber von der ganz anderen Seite. Also jetzt haben wir schon ganz viel darüber gesprochen, wie die Parteien kommunizieren. Was setzen wir eigentlich zivilgesellschaftlich entgegen? Du hast ja gesagt, dir fehlt da was. Wie kommen wir da wieder sozusagen dahin, dass wir auch mitsprechen und nicht nur der Politik bei komischen, faktenfreien Botschaften zuhören? #00:57:06-3#
Tareq Alaows: Ja, aber davor würde ich einen kleinen Schritt zurückkommen. Also ja, politische Kommunikation auf jeden Fall hier, und wahrscheinlich wird das neue Abschiebe-Gesetz nicht dazu führen, dass jetzt Hunderttausende abgeschoben würden, weil es überhaupt nicht die Hundertausende gibt, die abgeschoben werden müssen oder sollen, ne? Also sondern nur 600 Personen. Aber die Auswirkung wird auf jeden Fall mit mehr Grundrechtsverletzungen gegen diese Menschen, und eher die Auswirkung wird gesellschaftlich, einfach so eine Stimmung zu geben, dass bei den geflüchteten Menschen man immer Abstriche machen kann, und auf der anderen Seite, die Auswirkung wird auch insgesamt auf die Gesellschaft, weil letztendlich, wenn ich tatsächlich mit Menschen spreche gerade, die außerhalb des Land leben, die infrage kämen würden für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Sie würden sagen, hey, wir sehen über social media, was eure Politiker dort über uns sprechen. Ich würde niemals freiwillig nach Deutschland gehen. Ich gehe dorthin, wo man mich als Menschen behandelt, Kanada oder Neuseeland oder Australien, aber niemals nach Deutschland freiwillig, außer dass ich gezwungen würde, dann zu fliehen, und habe ich keine andere Möglichkeit, außer dorthin zu gehen. Und das wird einfach große Auswirkungen auf die Gesellschaft hier, also auch innerhalb der Menschen, die hier seit Jahrzehnten leben, gibt es gerade viele, die sich fragen, wo wir hingehen wollen. Mit dieser Stimmung können wir nicht mehr hier leben, aber jetzt auch ganz gesellschaftlich. Also mir fällt tatsächlich ein Protest. Ich frage mich, was noch passieren soll, außer dass das über 700 Menschen vor der griechischen Grenze ertrinken. Frontex beobachtet sie mit Drohnen von oben, ja. Und auf der anderen Seite die griechische Küstenwache. Es gibt mehrere Berichte, also jetzt haben wir von Pro Asyl Griechenland verklagt, gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen vor Ort und mit betroffenen Personen, und die griechischen Behörden halt verklagt, weil es viele Berichte gibt, dass die griechen Behörden auch an dem Ertrinken von dem Schiff vor Pylos beteiligt waren. Und dann frage ich mich, was sollte es mehr geben als dieses Verbrechen, würde ich nicht anders benennen, weil es ist kein Vorfall. Alle wussten, alle konnten retten, über 15 Stunden waren die Menschen in Seenot, und dann hat keiner gerettet, und das ist eine unterlassene Hilfeleistung an dieser Stelle. Was sollte es noch mehr geben, damit Menschen auf die Straße gehen, damit Menschen darüber sprechen? Und ich frage mich also jetzt auch in Bezug auf die Debatten vom Sommer über Lampedusa, und es kommen jetzt auf einmal so viele Menschen zu uns und so weiter. Dann habe ich mich gefragt, wann haben wir aufgehört, einfach dafür zu protestieren, dass Menschen gerettet werden? Wann haben wir wieder angefangen zu protestieren, dass Menschen überhaupt diese Flucht lebendig überleben und ankommen? Und das ist genau die Debatte, die ich sehe. Deswegen fehlt mir eine organisierte Zivilgesellschaft an vielen Stellen, die aufzeigt, dass es nicht um Migration geht, das System übergreifend ist und dass es genug Probleme gibt und dass diese ganze Debatte über Migration gerade ein Ablenkungsmanöver ist, damit politische Parteien nicht ihre eigenen Fehler zugeben und sagen, wir haben es verkackt bei der Sozialpolitik, bei der Klimapolitik, und da müssen wir einfach nachholen, und das braucht einfach große Bündnisse in der Zivilgesellschaft, die ich gerade tatsächlich nicht sehe. Ich sehe Bestrebungen, tatsächlich. Das hat auch mit vielen Gründen zu tun. Die Menschen sind auch viel mit multiplen Krisen betroffen, und alle Menschen sind von irgendwas betroffen. Das würde ich niemandem absprechen. Aber es hilft einfach nicht, diese ganze Schuld an eine bestimmte Gruppe abzugeben. Das wird die Probleme an sich nicht lösen, sondern, was die Probleme lösen wird, ist genau die Probleme zu adressieren und zusammen zivilgesellschaftlich zu arbeiten, damit die Lösungen kommen. Ja. #01:01:18-1#
Aisha Camara: Vielen Dank! Hadija, welche Verantwortung siehst du denn da auch bei den Medien? Weil du hast jetzt gerade den Spiegeltitel angeführt. Ich meine, die Zivilgesellschaft, die starke zivilgesellschaftliche Stimme, die muss ja auch gefüttert werden von guten Journalistinnen und Journalisten. Wie siehst du da die Medien auch in der Verantwortung, diese Brücken zu bilden, Narrative, neue Narrative zu schaffen? Tun sie das aus deiner Sicht, denn du machst das natürlich, oder sind sie auch sozusagen den Parteien am Hinterherrennen? #01:01:52-2#
Hadija Haruna-Oelker: Ja, natürlich, es ist immer schwierig für mich, über diese, die Medien zu sprechen. Aber was ich schon feststelle, und ich glaube, das ist auch so ein bisschen, was ist der Bereich? Also, Migration ist ja ein Politikbereich. Also das eine ist sozusagen so lokale Berichterstattung über Kommunen, Reporte, das machen sicherlich eine größere Anzahl von Menschen. Was ist vor Ort los? Aber dieser Schwerpunkt Migrationspolitik und so ein Wissen, es ist ja auch eines, das noch so am wachsen ist. 2015, würde ich sagen, war eine Zeit, da hat sich offenbart, wie viele Menschen keine Ahnung von der Thematik hatte, weil es einfach kein Wissen gab und auch nicht brauchte über Dublin, Drittstaatenregelung, dies, das, keiner hatte Ahnung davon. Also, das war meine redaktionelle Erfahrung, und natürlich war das auch keine Sachkompetenz. Also, Migrationsgesellschaft ist für mich so in der medialen Vermittlungsarbeit, so mit jungen Journalist*innen. Was bedeutet Sachkompetenz in diesem Bereich? Und das bedeutet natürlich also A) sich, und das ist ein sehr spezielles Interessengebiet, sich mit Migration und Flucht auszukennen und den ganzen Regelungen. Das ist dann halt oft auch parteipolitisch. Dann ist es auch Berlin Berichterstattung, und in Berlin Berichterstattung sitzen halt auch ein bestimmter Kreis an Journalist*innen. Das ist auch eine Blase zum Teil. Also, wenn wir uns jetzt gerade so die Großen angucken, also wenn ein Porträt über Herrn Scholz im Spiegel oder andere große Aufmacher, das sind bestimmte Leute, die diese Interviews und Gespräche führen, die in die Hintergrund-Kreise kommen und so weiter. Das ist nicht unbedingt der Mensch mit dem Schwerpunkt Migration, sondern das ist ein Teil der Klaviatur im besten Fall, und je nachdem, wie gut die Person ausgestattet ist, wird die halt auch bespielt. Und da muss man halt sagen, als ich volontiert habe, und das war 2008, da war Migrationsgesellschaft und die Schwerpunkte, die ich im Studium hatte, nicht gefragt, und wie gesagt, seit 2015 gibt es da natürlich einen wachsenden Bedarf. Mit der Debatte kam der, aber das muss ja auch permanent bestückt werden. Das ist ja jetzt auch kein Thema, das man mal liegen lassen kann, weil ja andauernd Dinge passieren. Man muss ja den europäischen Raum, den deutschen Raum, man muss ja, da platzt einem der Kopf, und ich meine, das ist von Dezim und hier von Tareq, von euch beiden das Hauptgewerk, und da sehe ich tatsächlich große, große Defizite. Und wenn ich das dann runterbreche auf lokale Berichterstattung, die du natürlich mehr hast als früher, dann stoßen da auch oft Welten aufeinander, weil viel von der Migrationsgesellschaft einfach verstanden wird unter dem Aspekt Geflüchtete. Also ich meine, wenn man mal ehrlich ist, wie viele Geschichten kennt ihr, wo die Migrationsgesellschaft nicht in so einer distanzierten Form beschrieben wird, und dann gibt es ja noch die Brücke dazu. Wenn wir dann über die Erfahrungen als migrantisierte, rassifizierte Menschen reden, also reden wir über Rassismus, Antisemitismus und andere Rassismus gegen Sinti*zze und Romn*ja oder Rassismus gegen südostasiatisch gelesene Menschen, dann hast du ja das Problem, dass es das Wissen dann wiederum nicht gibt. Das heißt also, bestimmte Erfahrungsräume werden nicht abgedeckt oder müssen von bestimmten Journalist*innen abgedeckt werden. Kommen wir dann zu den neuen deutschen Medienmacher*innen, die jetzt ihr 15 jähriges Jubiläum feiern und natürlich schon immer und gerade jetzt aktuell zu diesem Jubiläum ja auch wieder darauf hingewiesen haben, was für Skills in den Redaktionen fehlen, immer noch fehlen, und das ist aber jetzt, und das ist meine Arbeit, und das ist das, was ich sehe. Wir brauchen immer stärker einen menschenrechtsbasierten Journalismus, weil es jetzt nicht mehr hilft, so mit Begriffen wie konstruktiv oder verantwortungs-, naja, das sagen sogar wenige, konstruktiv wäre schön, wenn er wäre, aber also, dass es noch mehr als das jetzt braucht. Also es braucht tatsächlich Skills in diesem menschenrechtsbasierten Segment, so wie wir das in der Flucht und Asylpolitik bräuchten, brauchen wir es natürlich auch im Reden darüber. #01:05:49-1#
Aisha Camara: Vielen, vielen Dank. Die Zeit ist nur so dahin gerast, und es gab einige Fragen im Chat und natürlich auch noch mal die Einladung an euch, auch zu sprechen. Damit würde ich jetzt vielleicht auch einfach mal beginnen, einfach mal hier den Raum öffnen und gerne per Zoom-Handzeichen Meldung, wenn ihr sprechen wollt. Ansonsten gibt es ein paar Fragen im Chat. Die würde ich dann jetzt einfach beginnen. Ich roll mal von oben nach unten auf. Es gab einen Kommentar, den ich ganz cool fand. Da hat jemand für einen Migrant*innen-Streik plädiert. Wäre das eine Form des Protests, die wir jetzt brauchen, oder was wäre für euch am geeignetsten, um die Zivilgesellschaft jetzt auch so ein bisschen wieder zu aktivieren? Also was brauch es? Ist das eine Form? #01:06:44-9#
Tareq Alaows: Es braucht tatsächlich viele betroffene Personen, die einfach sprechen. Es braucht von uns, dass wir einfach den Vordergrund für betroffene Personen geben, damit sie über ihre eigene Erfahrung sprechen. Das wird vielen Menschen auf der einen Seite abholen und auf der anderen Seite. Das wird viele Tatsachen ganz anders einordnen, anders als wenn wir darüber sprechen oder bei Menschen, die nicht betroffen darüber sprechen, und natürlich ist das auf jeden Fall eine mögliche Form. Also ich habe selbst, also 2015 bin ich in Bochum angekommen und habe gesehen, dass es in den deutschen Gesetzen viele Möglichkeiten gibt, wie man einfach ganz anders ankommt als in einer Turnhalle mit weiteren 60 Personen unter einem Dach zu leben. Und wenn ein Kind in der Nacht schreib, dann mussten alle wach sein. Dann habe ich selbst einen Streik von betroffenen geflüchteten Menschen organisiert, und wir haben 17 Tage lang in Zelten vor dem Bochumer Rathaus gezeltet. Wir waren am Ende um die 1.000 betroffene Menschen vor diesem Rathaus, und dann auf einmal hat sich ergeben, dass doch politische Lösungen in der Hand der Kommunen liegen, die die Situation ganz anders einordnen können, und innerhalb von ein paar Monaten war das Problem im Bochum gelöst, und da haben wir, also, es ist auch so ein Gefühl von auch aktiv zu sein, also selbst aktiv zu sein, im Baumarkt zu sein und ein Teil der Lösung zu sein. Weil nach diesem Streik haben wir die Gruppe Refugee Strike damals gegründet und politisch gearbeitet innerhalb unserer Kommune, und dann war es nicht einfach so, um uns vorbei zu diskutieren, sondern wir waren ein Teil der Debatten immer, und das soll tatsächlich so sein. #01:08:35-6#
Aisha Camara: Heißt also, an die Kommentator*innen, vielleicht den Streik initiieren und darauf hoffen, dass daraus dann ein größeres Movement, eine Bewegung entsteht. #01:08:44-5#
Tareq Alaows: Ich mache gerne social media Werbung #01:08:46-6#
Aisha Camara: Sehr gut! Tareq kommuniziert mit. Hier gibt's noch ein paar Fragen, und zwar einmal eine Frage. Was haltet ihr von einer „no border! oder einer „open border“ Politik? Marcus, vielleicht du? #01:09:03-1#
Marcus Engler: Also, ich finde das grundsätzlich eine sehr gute Idee. Ich sehe nicht, dass wir im Moment irgendwie, dass das irgendwie passieren kann, doch ist es wichtig, glaube ich, dass man diese Vision irgendwie nicht verliert. Wir haben das tatsächlich auch neulich mit Kollegen hier diskutiert. Kann man sowas überhaupt fordern? Würde man nicht als geisteskrank irgendwie hingestellt im aktuellen Kontext, wenn man sagen würde, vielleicht sollten wir das so machen. Aber wir haben tatsächlich versucht, es analytisch irgendwie durchzudenken. Wenn dann Kosten für Migration, Risiken und so weiter dadurch sinken würden, wäre es nicht so, auch aus ökonomischen Gründen vielleicht sogar sinnvoll, abgesehen mal von menschenrechtlichen, normativen Fragen? Natürlich muss man auch, finde ich, die Perspektive auch von Aufnahmegesellschaften und deren Ängsten irgendwie mit sehen. Man kann das jetzt nicht irgendwie entscheiden, gibt eh keine Mehrheiten dafür. Aber vielleicht kommen wir defacto mehr in diese Richtung, wenn die europäischen Gesellschaften, deutschen Gesellschaften so weiter altern, wie sie es tun, der Bedarf an Migration immer größer wird, dass auch klar wird, sämtliche Liberalisierungen, die wir in der Arbeitsmigration machen können, werden niemals ausreichen, den Bedarf zu decken, dass wir vielleicht sogar dahin kommen, schneller als wir denken. #01:10:17-0#
Aisha Camara: Open Border, ich weiß nicht, hat Ghana nicht auch alle Visas jetzt aufgehoben? Alle können einfach einreisen, also ich finde es auch interessant, dann immer so eine Perspektive von, wer nimmt auf, wo sind die Grenzen offen? Wo sind sie das vielleicht schon? Gibt es noch andere Meinungen dazu? Open Border, no border als Utopie, als Vision. #01:10:37-3#
Tareq Alaows: Na ja, damit wird immer impliziert, dass alle Menschen jetzt nach Europa kommen würden, also wenn das passiert. Aber das ist tatsächlich nicht der Fall. Also, ich glaube, ne no border Politik wird nicht in dem jetzigen-, also da müssen wir out oft he box denken, es wird nicht funktionieren in der jetzigen Welt, wie wir das erleben, und es wird ganz viel ändern, auch an unseren Lebensverhältnissen hier in Deutschland. Dann wird es auf einmal nicht mehr möglich sein oder wird so Respekt davor gesehen, dass wir andere Staaten in der Welt und Natur ausbeuten, also nicht mehr Ausbeutung aus Angst davor, dass die Menschen aus diesen Ländern zu uns kommen, wenn das durchgeführt wird. Und vielleicht wird das dazu führen, dass die Menschen dort, dass es dort keine Krisen gibt aufgrund unserer Lebensverhältnisse hier in Europa. Also vielleicht wäre das eine Lösung, und dann wird es dazu führen, dass wir alle aus Deutschland dorthin gehen, weil dort das Wetter schöner ist. Also es kann auch eine Möglichkeit sein, ne? #01:11:36-8#
Aisha Camara: Haidja, hast du noch was, eine Ergänzung? #01:11:41-7#
Hadija Haruna-Oelker: Ich könnte jetzt noch was ergänzen, wir könnten aber auch weitermachen, aber vielleicht einen Satz dazu. Ich glaube, in diesem No Border, wie Tareq es gesagt hat, steckt halt ein Frame, also was geht in den Köpfen auf, wenn ich no border denke? Aber vielleicht könnten wir no Border nehmen und das umschreiben. Also was bedeutet es in einer Welt, in der Menschen sowieso nicht bleiben können, weil wir eine Klimakrise haben, in der sowieso, also in der Vorbereitung, dass es uns mehr helfen wird, vielleicht sogar uns selbst und unsere eigenen in Anführungszeichen haut? Denn, wenn man es jetzt ehrlich nimmt, viele von uns wollen vielleicht auch nicht in diesem Deutschland leben, wenn das noch weiter rechts abrückt – just saying. Also von daher glaube ich, es ist für mich so oft so ein Weg, die Dinge einfach eher zu beschreiben, als ihnen immer so einen expliziten Namen zu geben, weil dann nehmen sich nämlich immer Leute diese Wörter und machen sie dir kaputt, genau. #01:12:29-8#
Aisha Camara: Und danke dir nochmal für den Hinweis, weil genau darauf wollte ich nämlich nochmal hinaus, darauf, dass viele Menschen in diesem Land gerade ans Auswandern denken. Das ist auch eine Konsequenz, auch wenn sie es nicht müssten, auch wenn sie einen Pass haben, der sie nicht dazu zwingen würde. Wir haben noch eine weitere Frage, und zwar nochmal einen Überblick, wie sich Deutschland eigentlich europäisch einreiht. Es wird ja immer so gesagt: Deutschland sind eigentlich noch die freundlichsten in der EU, was Migrationspolitik und Restriktionen angeht. Ist das so oder nicht? #01:13:08-8#
Marcus Engler: Ja, ich könnte was dazu sagen. Also wir können ja Migrationspolitik in verschiedene Teile quasi zerlegen. Also was Arbeitsmigration angeht, also jetzt EU-Migration ist eher nochmal ein eigenes Thema, also vom rechtlichen Rahmen her. Aber was Arbeitsmigration angeht, ist Deutschland schon, was den rechtlichen Rahmen angeht, sehr, sehr liberal, und jetzt kommt nochmal ein Liberalisierungsschritte oben drauf, wo nach und nach die Sachen in Kraft treten. Das heißt ja lange nicht, dass viele Menschen nach Deutschland kommen wollen. Das sind viele Faktoren außerhalb von politischer Gestaltung. Bei reinem Recht ist es, würde ich sagen, dass Deutschland da schon sehr liberal aufgestellt ist. Bei den anderen Bereichen-. Ich meine, es ist auch schwer zu vergleichen: Deutschland hat keine europäische Außengrenze. Da können wir auch sagen, ja, wir machen nicht so Pushbacks. Also klar, es gibt auch Diskussionen, Pushbacks nach Österreich und so weiter, aber wir haben nicht diese Situation, wie sie Spanien oder Griechenland oder auch Italien hat. Insofern ist der Vergleich schwierig. Dennoch würde ich sagen, also bei allen wirklichen krassen Restriktionen, die es hier auch gibt, und ich meine, da kann Tareq auch viel erzählen, wie die Menschen darunter leiden, würde ich sagen, die rechtlichen Standards sind, also vergleichsweise hoch noch in Deutschland, auch Unterbringungsstandards und all diese Dinge. Und wir sehen immer mehr Länder, nicht nur die osteuropäischen Länder, auch Dänemark, Österreich und so weiter, wo immer radikalere Ideen an der politischen Ebene Verbreitung finden. Und insofern muss man vielleicht sagen, was wir in Deutschland jetzt sehen, ist ein Stück weit eine Anpassung des Diskurses und der Politiken vielleicht auch an europäische Normalität, aber in einem Sinn, der uns nicht gefällt. #01:14:41-2#
Aisha Camara: Vielen, vielen Dank. Nochmal: es sind zwei Fragen, die vorhin auch schon im Chat kamen, und ich würde gerne vielleicht auch erst mal Hadija dazu, weil du hattest das auch schon so ein bisschen implizit aufgemacht. Es gibt eine Hierarchisierung von Communities irgendwie. Dieser ganze Diskurs führt auch dazu, dass sozusagen Communities untereinander hierarchisiert werden, und Ukraine ist ja immer wieder, wenn wir in diesen Tagen über Migration oder Asyl, Flucht sprechen, ist es sozusagen immer das Beispiel. Bei denen ging es auch. Warum geht es jetzt nicht bei anderen Menschen? Also, das ist eine Frage. Warum wurden eigentlich diese Ausnahmen gemacht? Und schnelle Maßnahmen unternommen, aber gleichzeitig eben die Tatsache, dass das immer angeführt wird, so wird vermutet, dass dadurch auch vielleicht die Debatte ein bisschen kippt und sich auch manchmal in einer Art und Weise über ukrainische Geflüchtete geäußert wird, die vielleicht auch problematisch ist, wo die Debatte oder das Gefühl da ist, dass die Debatte kippt. Hadija, was sagst du dazu? Du hast ja ein paar Sachen schon dazu gesagt. #01:15:46-9#
Hadija Haruna-Oelker: Ja, also, ich meine, es gibt natürlich auch da so verschiedene Zeitabschnitte als die Zeit war es-, diese neuen Regelungen oder, sagen wir mal, die besten Regelungen, die wir für Geflüchtete ja hatten, die ich allen anderen auch wünschen würde. Es gab natürlich auch zeitgleich ja eine große Debatte, um wer bekommt die, und es gab sie in diesem Moment schon. Das ist auch sehr nachvollziehbar aus einer menschlichen Ebene, und da war ja auch dann der Versuch, das so zu formulieren. Was könnte das für die Zukunft ändern? Ich würde jetzt nicht behaupten, dass ukrainische Geflüchtete jetzt nicht weniger Rassismus erfahren. Ich würde sagen, in den Kommunen also das, was man aus so lokalen Berichten hört, da gibt die Stimmung ganz massiv, weil jetzt die Ukrainer*innen ja doch nicht so sind wie wir. Also, das ist jetzt ein bisschen überspitzt, oh Überraschung. Aber gut, das war zu erwarten, das haben viele vorher gesagt, und hier sieht man ja dann auch, dass dieser antislavische Rassismus, auch die nicht-Aufarbeitung einer deutschen Geschichte, die mit Osteuropa zu tun hat, und so weiter, dass uns das eben auch auf die Füße fällt, und das ist, das meinte ich vorhin auch mit dieser Verkopplung irgendwie dieses deutschen Narrativs oder so einer nicht-Aufarbeitung in unserer migrationsgesellschaftlichen Geschichte, dass wir ja auch, dass wir Communities haben, deren Herkunftsgeschichten wir nicht kennen, und dass wir auch die Verstrickung mit der deutschen Geschichte nicht verstehen, und dass es dann zu den ganz alten Ressentiments führt, die alle Gruppen begegnen, und so jetzt auch den ukrainischen Geflüchteten, zumal sie diese Kommunen ja dann in Anführungszeichen auch überlasten. Auch wenn es in so einem öffentlichen Diskurs vielleicht irgendwie Menschen an migrantisierte Typ nordafrikanische Menschen denken, passiert aber in den Kommunen dennoch dieses, dass es einzelne und viele Berichte gibt, wo man sagt, diese ukrainischen Menschen sind so und so, und, und ich will das nur betonen, wenn der Krieg weitergeht, werden auch Männer kommen, und das ist auch noch etwas, worüber jetzt schon gesprochen wird, und wie dieses das auch nochmal, diese Genderisierung in diesem Diskurs über hier ukrainische Frauen und Kinder, die muss man ja annehmen, hm, will ich jetzt auch nicht mehr. Die überlasten die Kindergartenplätze und so weiter, und wenn dann noch Männer kommen werden, wenn dieser Krieg weitergeht, ja, dann sehe ich auch weitere Probleme auf uns zukommen. #01:18:13-0#
Aisha Camara: Noch eine etwas allgemeinere Frage, oder vielleicht auch noch mal die Frage, wie könnte es jetzt überhaupt-, du hast es jetzt ja gerade, Marcus, nochmal ausgeführt: Deutschland passt sich eventuell an an sowieso einen restriktiveren Kurs, der in Europa schon seit Jahren geführt wird. Und könnte überhaupt, haben wir aktuell Chancen auf eine menschenrechtsbasiertere Einigung, oder ist das momentan überhaupt nicht realistisch aus deiner Sicht? #01:18:41-6#
Marcus Engler: Die Frage ist jetzt, welche politische Ebene wir irgendwie anschauen. Wenn wir jetzt sagen, die europäische Ebene anschauen, ist das komplett unrealistisch leider im Moment. Ich meine, ehrlich gesagt, war es das vor fünf Jahren auch. Also ich weiß gar nicht genau, Dinge haben sich, glaube ich, schon ein Stück weit verschlechtert, aber sie waren auch nicht vor fünf Jahren gut oder so. Ja, also, klar können sich politische Mehrheiten wieder ändern, aber es gibt diese Abschottungsidee schon seit vielen Jahren, das sind dann unterschiedliche Praktiken und Politiken. Es werden an den Grenzen Dinge verstärkt. Es gibt jetzt Migrationsabkommen mehr, obwohl das auch alles überhaupt nicht neu ist, und es ist so -, klar, ich meine, Regierungen sind Abbildungen von Gesellschaften ein Stück weit, und ich meine, die Staaten in Europa vertrauen sich nicht. Europäische Staaten vertrauen anderen Staaten nicht. Also da, wo was verhandelt werden kann zwischen Staaten, gebe ich wenig Hoffnung, und die Flüchtlinge und Migranten kommen in diesen Ideen überhaupt nicht ernsthaft vor, höchstens als es gibt natürlich-, natürlich gibt es irgendwie eine Idee von auch, also Humanismus, und wir müssen-, aber nicht zu viel, und wir bestimmen, und ansonsten eigentlich eher so als Störgröße. Und ja, im Moment sieht es wirklich nicht so aus, das heißt aber nicht, dass man sich nicht dafür sehr hart irgendwie einsetzen muss. #01:20:02-3#
Hadija Haruna-Oelker: Das finde ich irgendwie auch einen wichtigen Punkt, weil irgendwie hat ja diese Veranstaltung auch die Überschrift „Migration ist (still) not a crime“, und ehrlich gesagt, für mich ist es, glaube ich, was alle in diesem Raum oder für mich ist, das für mich so meine Aufgabe ist, neben all diesen Fakten und Zahlen und Diskursen und so irgendwie nicht zu vergessen, dass es um Menschen geht und dass es unsere Nach-, vielleicht so banal gesprochen. Also in meinem Fall bin ich selbst, also nicht ich, sondern mein Vater, aber das es meine Nachbarn sind, meine Freunde, meine Freund*innen, dass wir eine Gesellschaft sind und dass es sich also, dass man da vielleicht auch dieses Narrativ erwählt, um diese Migrationsgesellschaft zu kämpfen, weil wir das, das ist doch alles, was wir haben, denn ohne sie gäbe es uns übrigens gar nicht mehr in Deutschland, by the way. Und nochmal nicht ein Nützlichkeitsnarrativ, sondern ein Überlebensprinzip mal zu formulieren, weil ich finde, auch das ist relevant, und das ist ja auch eine Generation Change, dass heute der Diskurs vielleicht härter geführt wird, aber dass auch mehr Menschen einfach da sind, die sich dagegen lehnen, und vielleicht sollten wir unseren Blick immer mal dahin auch wenden, diese Leute einladen und so weiter unsere Bühnen öffnen und so weiter. #01:21:13-4#
Tareq Alaows: Auf der anderen Seite sehe ich auch, sehe ich tatsächlich eine Aufgabe bei uns allen oder eine Verantwortung. Also, ich meine, es ist nicht das erste Mal, dass ich in einer Veranstaltung bin, in der 200 Personen zum Beispiel mit dabei waren, oder in irgendeiner Zeit gab es 200 Personen hier drin. Und ich meine, wenn jeder von uns sich innerhalb der eigenen Kreise, innerhalb der eigenen Familie dafür einsetzt, eine Person oder zwei Personen, der Onkel, der mal so einen rassistischen Satz raushaut, oder der Opa, der sagt, jetzt müssen wir Grenzen dicht machen und alle erschießen, einfach zu überzeugen, dass das nicht richtig ist und dass es anders funktionieren kann, dann wären wir in einer ganz anderen Gesellschaft. Also letztendlich, wie gesagt, es gibt diese 80 Prozent der Menschen in dieser Gesellschaft, von denen ich überzeugt bin, dass sie nicht so die harten Nazis sind, mit denen man noch reden kann. #01:22:08-9#
Aisha Camara: Sehr schön, ein wunderbares Abschlusswort! Ehrlich gesagt, wir konnten hier-, vielen, vielen Dank an euch. Dankeschön für die spannende Debatte! Wir konnten, glaube ich, teilweise nur so ein bisschen an der Oberfläche kratzen, weil das Thema einfach so breit ist. Immer wieder ist es, worüber reden wir gerade? Lass uns erst mal Ebenen sortieren, genau, trotzdem bedanke ich mich sehr, bedanke mich auch bei euch allen, die hier mit kommentiert, mit zugehört haben. Vielen, vielen Dank auch noch mal gerade gegen Ende, glaube ich, habt ihr uns jetzt auch nochmal so ein bisschen eingeholt und uns nochmal gesagt, worauf es ankommt. Und ja, wir müssen versuchen, genau die richtigen Worte zu wählen, versuchen, irgendwie den großen Bogen zu spannen, ein verbindendes Narrativ zu finden. Und hier ist auch nochmal der Hinweis, dass die Veranstaltung aufgezeichnet wurde. Ihr könnt das quasi dann als Audio auch noch mal nachhören und anderen Menschen schicken, und kommt gut und gesund durch die Zeit, und wahrscheinlich gibt es nächstes Jahr noch eben genau so viel zu besprechen. Tschüss #01:23:17-0#
Abmoderation: Und das war der Mitschnitt der Veranstaltung „Migration is (still) not a crime“ über aktuelle Entwicklungen in der Migrationspolitik und wie wir über Migration sprechen, mit Tareq Alaows, Marcus Engler, Hadija Haruna-Oelker und moderiert von Aisha Camara. Die Veranstaltung wurde organisiert von dem Stiftungsverbund Heinrich-Böll-Stiftungen und weitere Informationen findet ihr in den Shownotes. Wir würden uns über ein Teilen und Weiterempfehlen diese Folge sehr freuen. Diese und weitere Veranstaltungen könnt ihr mithören, mitlesen, überall, wo es Podcast zu hören gibt. #01:23:52-9#
Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.petrakellystiftung.de