Diskussion mit Prof. Dr. Frank Nonnenmacher (Frankfurt/M.), Initiator des Appells „Vergessene NS-Opfer“, sowie den Bundestagsabgeordneten Dr. Eva Högl (SPD), Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bd. 90/Die Grünen) und dem Bremer Landesvorsitzenden der VVN-BdA Raimund Gaebelein über die ignorierten NS-Opfergruppen wie „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“.
Die Rehabilitierung ignorierter NS-Opfergruppen wie „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ ist endlich im Bundestag angekommen. In welcher Form, warum das derart lange dauerte und welche familienbiographischen Traumata durch die Stigmatisierung als „asozial“ bis heute fortwirken, diskutierten wir mit Prof. Dr. Frank Nonnenmacher (Frankfurt/M.), Angehöriger eines „Asozialen“ und Initiator des Appells „Vergessene NS-Opfer“, sowie den federführend befassten Bundestagsabgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) und Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bd. 90/Die Grünen). Auch der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) war mit seinem Bremer Landesvorsitzenden Raimund Gaebelein vertreten.
„Asoziale“ und „Berufsverbrecher“: Vergessene Opfergruppen des NS - Heinrich Böll-Stiftung Bremen
Direkt auf YouTube ansehenDie von Nonnenmacher initiierte Petition wurde von über 20.000 Menschen unterschrieben und im April 2018 dem Bundestag übergeben. Zum Zeitpunkt der Veranstaltung lagen vier Anträge vor: je einer von B90/Grüne, FDP und LINKE, sowie ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD. Es war damit zu rechnen, dass diese in einer der nächsten Bundestagssitzungen diskutiert würden. Ob es zu einem Parlamentsbeschluss käme, welche Widerstände es gab und welche Konsequenzen eine Anerkennung dieser bis heute „vergessenen“ Opfergruppen haben müsste - all dies war Thema der Veranstaltung.
Nonnenmacher ist emeritierter Professor für Politische Bildung an der Goethe-Universität Frankfurt. In einer Doppelbiografie beschreibt er das Leben zweier Brüder: Nonnemachers Vater Gustav kam in ein Waisenhaus, flog als Ju52-Pilot für Hitlers Luftwaffe und wurde später freischaffender Bildhauer. Dessen Bruder Ernst war zur gleichen Zeit in den KZ Flossenbürg und Sachsenhausen. Er hatte aus Not Diebstähle begangen und wurde als „Herumtreiber“, Bettler und Kleinkrimineller zu Gefängnisstrafen verurteilt. Nach Verbüßung seiner letzten Strafhaft wurde er ohne jedes weitere Verfahren ins KZ deportiert. Ernsts Schicksal ist exemplarisch für die von den Nazis als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ bezeichneten KZ-Häftlinge, die den stigmatisierenden schwarzen bzw. grünen Winkel tragen mussten. Sie galten als „Ballastexistenzen“, die „durch Arbeit vernichtet“ werden sollten. Bis heute werden sie nicht nur von der Politik, sondern auch von der gesellschaftlichen Erinnerungskultur marginalisiert.