Lisa Pörtner (Health4Future): Klimaschutz rettet Leben

Interview

Lisa Pörtner im Gespräch mit denkhausbremen über den Klimawandel und die Idee der Planetary Health. Die Ärztin engagiert sich für eine ambitioniertere Klimapolitik in Bremen. Seit vielen Jahren ist sie bei Greenpeace Bremen aktiv, zuletzt beschäftigte sie sich in der Initiative Health for Future verstärkt mit den gesundheitlichen Folgen der Klimakrise.

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Portrait von Lisa Pörtner

denkhausbremen: Frau Pörtner, welchen persönlichen Bezug haben Sie als Ärztin zum Thema Klimaschutz?

Lisa Pörtner: Ich beschäftige mich schon seit Jahren allgemein mit der Klimakrise, etwa mit Blick auf den Schutz der Lebensgrundlagen. Erst in der letzten Zeit sind die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit präsenter geworden. Es gibt mittlerweile sehr gute Daten dazu, welche Folgen die Klimaerwärmung auf die Gesundheit des Menschen hat. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Klimakrise als die größte Bedrohung für die Gesundheit der Menschen im 21. Jahrhundert definiert. In allen Erdteilen und damit auch bei uns wird sie eine Vergrößerung der Krankheitslast und eine Erhöhung der Sterblichkeitsraten zur Folge haben.

Können Sie uns einige Beispiele für gesundheitliche Folgen der Klimakrise nennen?

Durch die steigenden Temperaturen treten deutlich mehr und schwerere Hitzewellen auf. Damit zusammenhängende Krankheitsbilder wie Sonnenstich oder Hitzschlag können im schlimmsten Fall auch tödlich verlaufen. Allein in Deutschland haben wir in den ganz heißen Sommern der letzten Jahre eine Übersterblichkeit gesehen. In diesen Zeiträumen sterben überdurchschnittlich viele Menschen, v.a. Ältere und chronisch Kranke. Chronische Erkrankungen verschlechtern sich unter dem Einfluss höherer Temperaturen. Es treten mehr Schlaganfälle auf und eine erhöhte Rate an Herzinfarkten. Das ist ein direkter Effekt der zunehmenden Hitzephasen.

Eine weitere Folge der Klimakrise ist zum Beispiel die weitere Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber, deren Überträger wie Zecken und Mücken sich nach Norden hin ausbreiten. Auch Durchfallerkrankungen werden zunehmen, weil deren Erreger im wärmeren, feuchteren Wetter gut gedeihen können. Durchfallerkrankungen sind schon heute in vielen Ländern des globalen Südens ein massives Problem, das gerade bei Kindern die Sterblichkeit deutlich erhöht. Gerade bei zunehmender Wasserknappheit ist hier eine weitere Verschlechterung der Lage zu erwarten.

Dann gibt es natürlich noch direkte Folgen von Extremwetter-Ereignissen wie Stürmen, Überflutungen oder Waldbränden. Solche Naturkatastrophen nehmen in Häufigkeit und Schwere zu und führen zu gesundheitlichen Schäden und einer erhöhten Anzahl von Todesfällen. Nicht zuletzt werden auch psychische Erkrankungen durch die Klimakrise zunehmen.

Wie kommt das?

Einmal natürlich durch die Extremwetter-Ereignisse. Der Verlust der Heimat durch Brände oder Überschwemmungen stellt eine massive psychische Belastung dar – umso mehr, wenn Flucht der einzige Ausweg ist. Diese Fluchtbewegungen werden durch den Klimawandel stark zunehmen.

Dann gibt es ein Phänomen, das bisher wenig erforscht wurde: die sogenannte Klimaangst. Eine Beschäftigung mit der fortschreitenden Krise kann Zukunftsängste auslösen, Depressionen und Schlafstörungen. Ich glaube, dieses Phänomen ist bisher noch zu wenig beachtet.

Gibt es denn zumindest für einzelne dieser gesundheitlichen Folgen Ansätze, wie man sie abmildern oder wie man darauf reagieren kann?

Zunächst müssen wir natürlich alles dafür tun, die Erderwärmung auf maximal 1,5° C zu begrenzen. Jedes Zehntelgrad mehr hat starke negative Auswirkungen, auch auf die Gesundheit der Menschen. Gerade den reichen Industrieländern, die für einen Großteil der Emissionen verantwortlich sind, kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Auch die Gesundheitsberufe sollten sich meiner Ansicht nach viel stärker an der Diskussion beteiligen, denn die Folgen betreffen uns und unsere PatientInnen eben ganz direkt.

Zweitens muss natürlich ganz viel passieren im Bereich der Klimaanpassung. Das geht von Meldesystemen für Hitzewellen und Naturkatastrophen, über eine entsprechende Stadtplanung bis hin zur besseren Ausstattung von Krankenhäusern und Altenheimen mit Klimaanlagen, um vulnerable Patientengruppen stärker zu schützen. Und gerade im globalen Süden müssen die Gesundheitssysteme unbedingt gestärkt werden, damit sie vorbereitet sind auf diese Veränderungen.

Die Aktiven von Health for Future beziehen sich auf den Begriff der Planetary Health. Was ist damit gemeint?

Planetary Health ist ein umfassendes Gesundheitskonzept, das die Gesundheit und Krankheitsentstehung beim Menschen nicht isoliert betrachtet, sondern uns als Teil der Natur sieht. Und für unsere menschliche Gesundheit ist eben die Gesundheit unseres Planeten eine entscheidende Voraussetzung. Im Moment tun wir quasi alles dafür, diese Gesundheit zu zerstören. Das hat natürlich massive Auswirkungen auf uns selbst. Das Konzept, den Menschen als Teil dieser globalen Zusammenhänge zu betrachten und sich auch um die planetare Gesundheit zu kümmern, ist darum der beste Ansatz, für die Menschheit eine gute Zukunft zu bewahren.

Wenn wir als Menschen in den Gesundheitsberufen nicht diese Zusammenhänge betrachten, dann werden wir die Gesundheit der Menschen nicht langfristig schützen können. Alle Fortschritte, die wir im medizinischen Bereich machen, werden durch die Zerstörung unserer Umwelt untergraben.

Wie sieht es mit den CO2-Emissionen im Gesundheitsbereich selber aus, ist das ein relevanter Bereich?

Auf jeden Fall. Weltweit kommen ganze 4,6 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus dem Gesundheitssektor. Der Energie- und Ressourcenverbrauch ist in diesem Bereich einfach enorm.

Gibt es Ansätze, diese Emissionen im Gesundheitsbereich zu reduzieren?

In einigen Ländern gibt es schon Projekte dazu. In Großbritannien beispielsweise hat sich der National Health Service (NHS) vorgenommen, bis 2040 emissionsneutral zu werden. Die NHS ist der öffentliche Gesundheitssektor dort, das ist ein bisschen anders strukturiert als in Deutschland.

Auch in Deutschland gibt es Projekte, in denen sich einzelne Mitarbeiter zu Klima-ManagerInnen ausbilden lassen können. Sie kümmern sich dann darum, ihre Krankenhäuser emissionsärmer zu gestalten. In vielen Krankenhäusern und Arztpraxen gibt es Bestrebungen, die Emissionen zu senken und Ressourcen einzusparen. Im Rahmen der Allianz „Klimawandel und Gesundheit“ befassen sich Arbeitsgruppen mit der Frage, wie man Arztpraxen und Kliniken klimaneutral aufstellen kann.

Lassen Sie uns auf Bremen schauen. Welche Maßnahmen erscheinen Ihnen als besonders dringlich, um Bremen erneuerbar zu machen – und dadurch auch die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise zu begrenzen?

Ein bedeutender Punkt ist die zeitnahe Abschaltung der Kohlekraftwerke. Hier lässt sich auch der Bogen schlagen zu den gesundheitlichen Auswirkungen. Es gibt jährlich weltweit Millionen Todesfälle durch Feinstaub, und das liegt eben v.a. an der Verbrennung fossiler Energien. Wenn man die Kohlekraftwerke abschaltet, erreichen wir eine Verbesserung der Atemwegsgesundheit und auch der generellen Gesundheit. So können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und etwas für die Lebensqualität in Bremen tun.

Dann finde ich ganz wichtig, dass wir die Mobilität verändern: Hin zu mehr öffentlichem Nahverkehr, zum Radfahren – und die Autos raus aus der Stadt. Die Verbesserung der Luftqualität und die Verbesserung der körperlichen Fitness sind auch hier positive Gesundheitseffekte. Es gibt also ganz viele Klimaschutzmaßnahmen, die Hand in Hand gehen mit gesundheitlichen Vorteilen.