Highway to hell: G20 betoniert Schnellstraße in die Klimakatastrophe

Kommentar
Die G20 will die Investitionen zum Ausbau von Infrastruktur weltweit verdoppeln. Doch zum Thema Klimaschutz hat sie wenig zu sagen. Was die G20 Finanzminister in Japan jetzt beschlossen haben, führt geradewegs in die Klimakatastrophe.
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Highway to hell: G20 betoniert Schnellstraße in die Klimakatastrophe
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Infrastruktur ist für 60% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich und legt Emissionspfade auf Jahrzehnte fest.

Die G20 Finanzminister haben am vergangenen Wochenende in Japan getagt und ein Kommuniqué verabschiedet. Einer der Punkte war das Thema Infrastruktur – wie in den vergangenen Jahren auch. Die G20 macht seit vielen Jahren Druck, die Investitionen zum Ausbau von Infrastruktur weltweit zu verdoppeln.

Dank Greta Thunberg, dank Fridays for Future und anderen Bewegungen ist der Klimaschutz zu Recht in aller Munde. Eine häufig zitierte Zahl besagt, dass Bau und Nutzung von Infrastruktur in den Sektoren Energie, Transport, Gebäude und Wasser für 60% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sei (Bhattacharya et al., 2016). Infrastrukturpolitik ist damit Klimapolitik. Da Infrastruktur langlebig ist, oft viele Jahrzehnte in Betrieb ist, stellt ihr Bau die Weichen.

Falls wir weiterhin Infrastruktur bauen, die bei ihrem Bau gewaltige Mengen an CO2 verursacht, und die zu ihrem Betrieb große Mengen fossile Brennstoffe benötigt, dann rücken die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens – die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2°C, ja besser 1,5°C – in weite Ferne.

Tatsächliche Maßnahmen für Klimaschutz bleiben rar

Das weiß auch die G20, und so sollte man erwarten, dass Klimaschutz eine prominente Rolle in den Beschlüssen spielt. Die diesjährige japanische G20 Präsidentschaft hat hierfür sogar eine Möglichkeit eröffnet: Während in den vorherigen Jahren durchgängig nur die Mobilisierung von privatem Kapital für Infrastrukturinvestitionen eine Rolle spielte, setzte Japan die Qualität von Infrastruktur auf die Tagesordnung. Zu einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur, so könnte man denken, gehört auch – als Minimum - dass sie unsere Lebensgrundlagen nicht zerstört.

Im G20 Communiqué der Finanzminister steht zum Thema Infrastruktur folgender Absatz:
„Infrastructure is a driver of economic growth and prosperity. An emphasis on quality infrastructure is an essential part of the G20’s ongoing efforts to close the infrastructure gap, in accordance with the Roadmap to Infrastructure as an Asset Class. In this context, we stress the importance of maximizing the positive impact of infrastructure to achieve sustainable growth and development while preserving the sustainability of public finances, raising economic efficiency in view of life-cycle cost, integrating environmental and social considerations, including women’s economic empowerment, building resilience against natural disasters and other risks, and strengthening infrastructure governance. Based on this understanding, and welcoming inter-thematic collaborations, we endorse the G20 Principles for Quality Infrastructure Investment as our common strategic direction and high aspiration. We thank the international organizations for preparing the Reference Notes on quality infrastructure investment and a new Database of Facilities and Resources, which will help effective implementation. We look forward to continuing advancing the elements to develop infrastructure as an asset class, including by exploring possible indicators on quality infrastructure investment.“

Die zweimalige Verwendung des Wörtchens “sustainable” könnte Hoffnung wecken, doch bei genauerer Betrachtung geht es nur darum, das Wirtschaftswachstum und die öffentlichen Finanzen zu verstetigen – nicht die Dauerhaftigkeit der menschlichen Existenz. Ansonsten bleibt es beim extrem dürftigen Verweis auf die „Integration von Umwelt- und sozialen Gesichtspunkten“, mehr nicht.

Im Einklang mit nationalen Strategien

Darüber hinaus bleibt der Verweis auf die „Prinzipien für Qualitäts-Infrastruktur-Investitionen“, die vom Communiqué unterstützt werden. Es handelt sich um freiwillige, nicht bindende Prinzipien, wie das Dokument betont.
Im Prinzip 3 geht es um Umweltfragen:

„Integrating Environmental Considerations in Infrastructure Investments
Both positive and negative impacts of infrastructure projects on ecosystems, biodiversity, climate, weather and the use of resources should be internalized by incorporating these environmental considerations over the entire process of infrastructure investment, including by improving disclosure of these environment related information, and thereby enabling the use of green finance instruments. Infrastructure projects should align with national strategies and nationally determined contributions for those countries determined to implement them, and with transitioning to long-term low emissions strategies, while being mindful of country circumstances.

3.1 These environmental considerations should be entrenched in the entire life-cycle of infrastructure projects. The impact on the environment of the development, operation and maintenance, and possible disposal of the infrastructure project should be continuously assessed. Ecosystem-based adaptation should be considered.

3.2 The environmental impact of infrastructure investment should be made transparent to all stakeholders. This will enhance the appreciation of sustainable infrastructure projects and increase awareness of related risks.“

Der hervorgehobene Satz hat noch am ehesten etwas mit Klimaschutz zu tun. Wie im Pariser Klimaabkommen, das interessanterweise mit keinem Wörtchen erwähnt wird, spielt das Wort „align“ eine wichtige Rolle. Es heißt so viel wie „ausrichten, angleichen, in Einklang bringen“. Doch die G20 Finanzminister nehmen hier eine subtile Verschiebung vor. Statt mit den Temperaturzielen des Pariser Klimaabkommens sollen die Infrastrukturprojekte nur mit nationalen Strategien und national bestimmten Beiträgen im Einklang stehen. Das klingt wie ein kleiner Unterschied, doch geht es hier ums Ganze:

In Artikel 2.1 des Pariser Abkommens geht es um die Ziele des Abkommens. Es wird dort im Punkt (a) das Temperaturziel vereinbart: Dass „der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, …“. Unter Punkt (c) heißt es dann als weitere Zielsetzung, dass „die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht (aligned) werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung.“ Wer die Artikel 2.1 (a) und (c) im Zusammenhang liest, kann eigentlich nur zum Schluss kommen, dass die Finanzmittelflüsse eine Entwicklung finanzieren müssen, die mit den Klimazielen von 2°C bzw. 1,5°C vereinbar ist.

Wenn Politik versagt, wird Widerstand zur Pflicht

Vereinbarkeit mit nationalen Beiträgen oder mit den globalen Temperaturzielen: ist das so ein großer Unterschied? Der Climate Action Tracker ist ein von renommierten Klimaforschern betriebener Think tank. Er berechnet den Temperaturanstieg, den wir zu erwarten haben, wenn die nationalen Beiträge umgesetzt werden, die die Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaabkommens bisher eingereicht haben. Er kommt hier aktuell auf 2,7-3.0°C, also fast das Doppelte der in Paris beschlossenen Ziele. Die Auswirkungen eines solchen Szenarios können nur als katastrophal bezeichnet werden.

Wie anfangs erwähnt: Infrastruktur ist für 60% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich und legt Emissionspfade auf Jahrzehnte fest. Wenn die Finanzminister der G20 nun also die Ausrichtung der Infrastrukturinvestitionen an diesen nationalen Beiträgen und nicht an den globalen, in Paris vereinbarten Temperaturzielen fordern, dann gießen sie den Weg in die Klimakatastrophe in Beton.

„I’m on a highway to hell“ singt die G20 und streckt den streikenden Schülern den Stinkefinger hin. Wenn Politik so versagt, dann wird Widerstand zur Pflicht. An vielen Orten der Welt wehren sich Bürgerinnen und Bürger gegen fossile Infrastrukturprojekte. Darauf müssen wir hoffen, damit die zerstörerischen Pläne der G20 am Ende dann doch nicht umgesetzt werden.