Sand ist eine endliche Ressource - deren ungehemmte Ausbeutung zu immensen Problemen führt. Mit zwei Expertinnen haben wir über das Ausmaß und die Folgen des Sandabbaus gesprochen und Alternativen in der Bauwirtschaft aufgezeigt.
Sand ist unscheinbar und scheinbar unbegrenzt vorhanden. Dennoch bezeichnen Fachleute Sand als neue sozial-ökologische Zeitbombe. Denn das weltweite Bevölkerungswachstum, insbesondere in den Städten, führt zu großflächigem Sand-Raubbau mit verheerenden Folgen. Im Rahmen der Reihe OIKOS zur sozial-ökologischen Transformation haben wir uns mit diesem oft unterschätzten Rohstoff auseinandergesetzt – auch mit Blick auf Deutschland: Hierzulande ist der Anteil an Recycling-Beton noch verschwindend gering, und auch in Bremen werden immer noch zahlreiche intakte Gebäude abgerissen, statt sie umzunutzen. Welche politischen Rahmensetzungen sind erforderlich, damit insbesondere die Bauindustrie ressourcenschonender arbeitet?
Diese Veranstaltung fand per Zoom statt und ist als Mitschnitt auf unserem YouTube-Kanal verfügbar.
OIKOS #4 Der Sand - Heinrich Böll-Stiftung Bremen
Direkt auf YouTube ansehenAls Expertinnen zu Gast waren:
Victoria Gronwald, derzeit an der London School of Economics and Political Science (LSE), arbeitet im Bereich des verantwortungsvollen Abbaus und der Beschaffung von Mineralrohstoffen. Als Mitarbeiterin und nun freiberufliche Beraterin für Levin Sources hat sie zahlreiche Projekte zu sozialen und ökologischen Auswirkungen des Bergbaus und zu verantwortungsvollen Lieferketten durchgeführt. 2021 wurde ein von ihr mitverfasster Fachbericht von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) veröffentlicht, u.a. zur Problematik des Sandabbaus in Indonesien und Indien.
Dorothee Mix hat das Norddeutsche Zentrum für Nachhaltiges Bauen mitentwickelt und ist dort für den Weiterbildungsbereich „Bauen als Klimaschutz“ und „Nachhaltig Bauen und Sanieren“ verantwortlich. Der verantwortungsvolle Umgang mit der Ressource Sand ist integraler Bestandteil des Projekts.
Hintergrund
Die UNEP hat ausgerechnet, dass der Jahresverbrauch allein des Bausektors als eine 27 Meter hohe und 27 Meter breite Mauer darstellbar ist, die einmal rund um den Äquator reicht. Aber Sand ist nicht nur der Hauptbestandteil von Beton, sondern ebenso – und in noch stärkerem Maß als Erdöl – erforderlich für die Produktion von Autoreifen, Pharmazeutika, Kosmetika, Kreditkarten, Putz- und sogar Nahrungsmitteln. Ohne Sand auch keine digitale Gesellschaft, denn die aus ihm gewonnenen Mineralien stecken in Glasfaserkabeln, Handys und Computerchips.
Nach Wasser ist Sand der meist verbrauchte Rohstoff überhaupt, mit stark steigender Tendenz. Sand sei, so die Autor:innen einer Studio der ETH Zürich, „der Megastar unseres industriellen und elektronischen Zeitalters“ – und entsprechend begehrt und umkämpft. Zugleich ist er eine nur äußerst langsam nachwachsende Ressource. Bis die Erosion Gesteine zu den Myriaden winzigen Körnchen zermahlen hat, vergehen zehntausende und mehr Jahre.
Aufgrund des illegalen Sandabbaus in Indonesien verschwinden ganze Inseln. Abu Dhabi wiederum verbraucht Hunderte Millionen Tonnen an Meeressand für seine Landgewinnung, was zum großflächigen ökologischen Kahlschlag auf Meeresböden führt. Wüstenstädte wie Dubai importieren Bausand aus Australien, weil Wüstensand zu rundkörnig ist und deswegen nur als Zusatzstoff taugt. Sand sorgt für soziale und internationale Konflikte: Singapur legt nationale Sandreserven an, die indische Sandmafia kontrolliert die Bauwirtschaft des Subkontinents, sie gilt mittlerweile als mächtigste kriminelle Organisation des Landes. Konflikte um Sand gibt es auch an französischen Küsten und in brandenburgischen Abbaugebieten, Grundwassermangel, Bodenabsenkungen- und versalzungen werden beobachtet.
In Kooperation mit dem Theater Bremen. Die Reihe OIKOS ist Teil des Projekts "Wirtschaften mit Zukunft".