Ein Klimakorps für die USA: Neuauflage einer alten Demokratischen Tradition

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Um sich von der Masse abzuheben, besinnen sich einige Demokratische Präsidentschaftskandidaten in den USA wieder auf die Tradition der nationalen Freiwilligendienste. Wird ihnen die neue ökologische Ausrichtung dieser Programme die notwendige politische Unterstützung verschaffen?

Foto des Civilian Conservation Corps
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Das Civilian Conservation Corps bei der Arbeit, circa 1933

Für junge Amerikaner/innen ist die Bewältigung der Klimakrise eines der wichtigsten Themen bei den bevorstehenden Wahlen. Laut einer neuen Umfrage, des Harvard Institute of Politics Survey of Young Americans, bei der über dreitausend 18- bis 29-Jährige befragt wurden, stimmten 46 Prozent der Aussage zu: „Die Regierung sollte mehr tun, um den Klimawandel zu bremsen, auch auf Kosten des Wirtschaftswachstums“. Darüber hinaus waren 34 Prozent der Ansicht, dass der „Schutz der Umwelt“ ein vorrangiges Ziel der US-Außenpolitik sein sollte, noch vor Verteidigung der eigenen Verbündeten und vor der Eindämmung von Atomwaffen.

Um also diese Wähler/innen anzusprechen, haben viele Demokratische Kandidat/innen nationale Freiwilligendienste geschaffen, bei denen sich die amerikanische Jugend an vorderster Front im Kampf gegen den Klimawandel einsetzen kann.

Eine Demokratische Tradition

Ihren Ursprung haben die modernen nationalen Dienste in den landesweiten Programmen der New Deal-Ära. Präsident Franklin Delano Roosevelt rief diese Initiativen damals als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme während der Weltwirtschaftskrise ins Leben. Eines der frühesten Programme war das Civilian Conservation Corps (CCC), bei dem es vor allem um die Verbesserung Amerikas öffentlicher Ländereien, Wälder und Parks ging. Von 1933 bis 1942 beschäftigte das CCC drei Millionen Amerikaner/innen im Bau der Infrastruktur für viele der heute hochgeschätzten Staats- und Nationalparks. Millionen von Bäumen wurden gepflanzt, mehr als die Hälfte der gesamten Wiederaufforstungsmaßnahmen in der Geschichte der USA, was dem CCC den Spitznamen „Roosevelt's Waldarmee“ einbrachte.

Das Konzept des nationalen Freiwilligendienstes wurde in der Folge von mehreren Demokratischen Präsidenten erweitert, darunter Präsident John F. Kennedy, der 1961 das Friedenskorps gründete; Präsident Lyndon Johnson mit seiner Initiative „Great Society“, die das inländische Gegenstück zum Friedenskorps, nämlich „Volunteers in Service to America“ oder „VISTA“ enthielt; und Präsident Bill Clinton, der VISTA in ein erweitertes Programm inländischer Dienste namens AmeriCorps eingliederte. Zuletzt verdreifachte Präsident Barack Obama die AmeriCorps-Programme durch ein umfassendes Freiwilligendienstgesetz im Umfang von 5,7 Milliarden Dollar.

Eine Welle klimazentrierter nationaler Freiwilligendienste

Demokrat/innen unterstützen daher traditionell im Wahlkampf nationale Freiwilligendienste, doch der Fokus auf die Schaffung eines spezifischen Klimaschutzkorps ist neu. Da sich viele junge Amerikaner/innen sehr für Freiwilligendienste interessieren - sowohl das Friedenscorps als auch das AmeriCorps verzeichneten in den letzten Jahren mehr Bewerbungen als je zuvor, sodass sie nur noch 25 Prozent bzw. 13 Prozent der Bewerber/innen aufnehmen können -, ist es sinnvoll, die beiden Ideen miteinander zu verknüpfen.

Pete Buttigieg, Bürgermeister von South Bend, Indiana, und einer der jüngsten Präsidentschaftskandidaten, schlug als einer der ersten Programme eine umfassende Erweiterung der öffentlichen Freiwilligendienste vor. Dabei sollen neue Organisationen aufgenommen werden, die sich der Bekämpfung des Klimawandels, dem Thema psychischer Gesundheit sowie der Betreuung älterer Menschen widmen.

Ähnlich plant Elizabeth Warren, 10.000 junge Menschen und Veteranen für ein Civilian Conservation Corps des 21. Jahrhunderts zu rekrutieren und den Friedenskorps im Umfang zu verdoppeln.

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Der ehemalige Kongressabgeordnete John Delaney aus Maryland schlug die Schaffung eines separaten Klimakorps im Rahmen eines nationalen Freiwilligendienstes vor. Dabei sollen Freiwillige einkommensschwache städtische und ländliche Gemeinschaften beim Übergang zu einer ökologischen Wirtschaft unterstützen, indem sie das Bewusstsein für nachhaltige Praktiken schärfen und bei Projekten im Bereich saubere Energie mit anpacken, wie etwa beim Bau von Solaranlagen.

Und zuletzt veröffentlichte Cory Booker, Senator von New Jersey, einen von Präsident Franklin D. Roosevelts ‚New Deal‘ inspirierten Gesetzentwurf zur Wiederherstellung des Civilian Conservation Corps. Das Gesetz würde einen Schwerpunkt auf Kohlenstoffsequestrierung legen und freiwillige Klimaschutzpraktiken auf mehr als 100 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Flächen unterstützen; zur Wiederbelebung abgeholzter Landschaften und zur Begrünung städtischer Gebiete mehr als 15 Milliarden Bäume pflanzen; über zwei Millionen Hektar Küstenfeuchtgebiete wiederherstellen; und zur Unterstützung der Stromversorgung im ländlichen Amerika in erneuerbare Energien für Landwirte und ländliche Kleinunternehmen investieren.

Schuldenerleichterung für Studenten durch nationalen Dienst

In den USA haben rund ein Drittel der Erwachsenen unter 30 Jahren ein offenes Studentendarlehen. Ende März 2019 schuldeten die Amerikaner/innen rund 1,5 Billionen Dollar in studienbezogenen Darlehensschulden. Um an diese Wähler/innen zu appellieren, verbinden einige Demokrat/innen ihre Vorschläge eines Klimakorps mit Schuldenerleichterungen für Studentendarlehen.

An einem Ende der Skala steht Buttigiegs Vorschlag, die im Dienst verbrachte Zeit direkt auf studentische Darlehensschulden anzurechnen. Dies soll im Rahmen des Programms „Public Service Loan Forgiveness“ angeboten werden, das Beschäftigte staatlicher oder gemeinnütziger Organisationen unterstützt. Das Programm wurde ursprünglich vom Kongress im Jahr 2007 zur Förderung des öffentlichen Dienstes eingerichtet: Beschäftigten, die 10 Jahre lang Darlehenszahlungen geleistet haben und einer unter das Programm fallenden Beschäftigung nachgehen, wird der Rest ihrer nationalen studentischen Darlehensschulden erlassen. Die Umsetzung des Programms war jedoch holprig - laut einer Klage des amerikanischen Lehrerverbands vom 11. Juli 2019 werden in der Praxis nur einem Prozent der Antragsteller/innen ihre Darlehensschulden erlassen.

Am anderen Ende der Skala findet sich Delaneys Vorschlag in Anlehnung an das Konzept der „GI Bill“, das berechtigte Veteranen und ihre Angehörigen bei der Finanzierung von Studium und Ausbildung unterstützt. Unter Delaneys Programm könnten die Begünstigten für ein Jahr Freiwilligendienst zusätzlich zu ihrem Gehalt bzw. ihren Bezügen zwei Jahre kostenfrei an einer öffentlichen Universität, einem Community College oder einer Fachhochschule im Heimatstaat studieren. Bei zweijährigem Dienst wären es drei Jahre kostenlosen Studiums.

Sogar Senatorin Kirsten Gillibrand ist auf den Zug aufgesprungen und setzt sich nun für nationale Freiwilligendienste ein (wenn auch nicht unbedingt klimabezogen). Sie würde für ein Jahr Freiwilligendienst zwei kostenfreie Jahre an einem Community College oder einer staatlichen Hochschule gewähren, für zwei Jahre Dienst wären es vier kostenfreie Jahre am Community College oder einer staatlichen Hochschule.

Jeder will sich von der Masse abheben

Bis zum Wahltag 2020 werden die Wähler/innen der Generationen ‚Millenials‘ und ‚Gen Z‘ mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten ausmachen. Damit sind sie eine entscheidende demographische Gruppe, die ein Demokratischer Kandidat unbedingt ansprechen muss, um erfolgreich zu sein. Tatsächlich sprang die Wahlbeteiligung junger Wähler/innen bei den Zwischenwahlen 2018 rekordhaft an - fast 36 Prozent der 18- bis 29-Jährigen gaben an, gewählt zu haben, im Vergleich zu nur 20 Prozent im Jahr 2014. Die Demokraten hatten es teilweise diesem Faktor zu verdanken, dass sie das Repräsentantenhaus zurückgewinnen konnten.

Die Kandidat/innen für 2020 sind sich dieser Tatsache akut bewusst. Deswegen konzentrieren sie sich auf die Klimakrise und studentische Schuldenlast; Themen, die für junge Wähler/innen von zentraler Bedeutung sind.

Für weniger aussichtsreiche Kandidaten wie Delaney und Gillibrand, die sich beide noch nicht für die dritte Vorwahldebatte qualifiziert haben, könnten Vorschläge für nationale Freiwilligendienste ein Mittel sein, junge Wähler/innen auf der Suche nach Alternativen zu den Status-quo-Kandidat/innen zu erreichen.

Bekannteren Kandidat/innen wie Warren und Buttigieg helfen solche Vorschläge, ihr Profil als Verfechter der Interessen einer neuen Wählergeneration zu stärken.

Demokratische Kandidat/innen machen also zahlreiche Vorstöße für einen neuen Boom von Freiwilligendiensten. Bookers Gesetzentwurf zeigt jedoch, dass wir ganz unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt, wahrscheinlich verstärkt politische Maßnahmen zur Lösung der Klimakrise durch Jugendarbeit sehen werden.