Antifeministische Techniken rechtspopulistischer Akteure nutzen Argumente der Bewahrung vermeintlich traditioneller, konservativer oder christlicher Werte und haben so eine hohe Resonanz und Anschlussfähigkeit in der Gesellschaft. Sie bleiben damit beinahe unbemerkt.
Gerade erst sind die Feierlichkeiten zu 100 Jahre Frauenwahlrecht rum, da fressen sich antifeministische Angriffe von rechts weiterhin beinahe unbemerkt durch die Gesellschaft. Die Bekämpfung von Geschlechtergerechtigkeit, Feminismus und vielfältiger Lebensentwürfe von Frauen und Familien gehört dabei zu den Grundlagen neurechter und rechtspopulistischer Politiken. Die Gender-Forschung und die Gleichberechtigung von LSBTI* sind ein weiteres rotes Tuch. Eine permanente Diffamierung der Emanzipation gesellschaftlicher Gruppen als „Political Correctness“ oder „Tugendterror“ ist dabei zu einem wirkungsvollen Instrument geworden. Es ist eine bekannte rechtpopulistische Strategie, die Standards einer offenen, liberalen, modernen Gesellschaft anzugreifen, umzudeuten und umzukehren. Antifeministische Techniken rechtspopulistischer Akteure nutzen Argumente der Bewahrung vermeintlich traditioneller, konservativer oder christlicher Werte und haben so eine hohe Resonanz und Anschlussfähigkeit in der Gesellschaft. Sie bleiben damit beinahe unbemerkt.
Antifeminismus als schleichendes Gift für die Gesellschaft
Antifeministische Signalwörter und Diskursstränge sind die Brücke, die extrem rechte Bewegungen und den Mainstream miteinander verbindet. Dann werden beispielsweise feministische Frauen für die ‘Verweichlichung‘ aka ‘Verweiblichung‘ des Mannes verantwortlich gemacht; Instrumente für die Gleichstellung als ‚Gender-Ideologie‘ diffamiert und Männer zu Opfern eines ‚Staatsfeminismus’ stilisiert. Vor allem die letztgenannte Argumentation ist gegenwärtig wieder virulent geworden und kann auf die Formel gebracht werden: Frauenförderung benachteilige Männer.
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Unter der Überschrift „Gender-Mainstreaming abschaffen“ schreibt beispielsweise die AfD in ihrem aktuellen Europawahlprogramm „Wir befürworten die Gleichberechtigung und lehnen daher eine einseitige, geschlechterspezifische Förderung ab.“ Beatrix von Storch, MdB und Stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, führte in ihrer Rede zum diesjährigen Weltfrauentage aus, „Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist in Deutschland tatsächlich erreicht, und das schon seit Jahrzehnten.“ Und weiter: „Gleichstellung zerstört Gleichberechtigung. Wir müssen die Gleichstellungspolitik aktiv bekämpfen, um die Gleichstellung zu wahren.“ Angriffe auf Gleichstellungspolitiken wie Gender Mainstreaming finden sich auch bei weiteren AfD-Kolleg*innen im Bundestag. Dort diffamierte die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst Gleichstellungspolitik als „Gleichstellungstotalitarismus”. Strukturelle Benachteiligungen wie eine geringere Entlohnung oder einen geringeren Anteil von Frauen in Führungspositionen würde es nicht geben. Das sei „wie ein Yeti. Jeder redet darüber, aber keiner hat sie je gesehen.” Sie ließ darüber hinaus wissen: „Apropos Gleichstellungsbeauftragte. Diesem Instrument zur systematischen Männerbenachteiligung können wir nichts abgewinnen.“
Warum verfängt die Annahme, dass durch Frauen- und Gleichstellungsarbeit der Mann das Nachsehen habe? Schaut man sich in öffentlichen Haushaltsplänen um, dann lassen sich eine ganze Menge Haushaltstitel und Ausgaben finden, die explizit die Förderung und Unterstützung von Frauen und Mädchen zum Ziel haben, wie z.B. Maßnahmen in Landeshaushalten zur Chancengleichheit, Frauenförderpläne, Frauenbeauftragte, Frauenhäuser, Mädchenprojekte, Girls-Day und jede Menge Veranstaltungen zu 100 Jahre Frauenwahlrecht. Es ist ein altes Dilemma der Gleichstellungsarbeit. Wer unsichtbare, weil strukturelle Ungerechtigkeiten beseitigen will, muss Sichtbarkeit schaffen. Mit Maßnahmen und Förderinstrumenten, die dem Problem entgegenwirken. Sichtbar werden dann aber eben nur diejenigen mit einem sogenannten erhöhten Förderbedarf: Frauen, Mädchen und Minderheiten. Wenn beispielsweise in der Jugendarbeit die Partizipation von Mädchen gefördert wird, dann wird das dafür notwendige Geld explizit als Mädchenprojekt etikettiert und ausgegeben. Genau diese Sichtbarkeit wird von Gleichstellungsgegner*innen, wie der AfD, allerorten bereits massiv skandalisiert. In kleinen Anfragen, Anträgen und öffentlichen Verlautbarungen wird nicht nur die Abschaffung gefordert, sondern auch nach Jungenarbeit gerufen. Das klappt so gut, weil Jungen mehrheitlich die Regelangebote in den Jugendeinrichtungen nutzen und damit in öffentlichen Haushaltsplänen wenig explizite Erwähnung finden. Sie sind die Normalität, die Regelfinanzierung, die normale Jugendarbeit. Unter dem verächtlich gemeinten Begriff „Sondergruppenfinanzierung“ ziehen jedoch nicht nur Antifeminist*innen und Rechtspopulist*innen gegen Mädchen- und Frauenförderung zu Felde, sondern auch konservative und bürgerliche Politiker*innen, sowie frauenbewegte Akteur*innen. Wer will schon gern als defizitär und förderungsbedürftig gelten? Rechtspopulist*innen und Antifeminist*innen stricken jedoch ganz besonders hartnäckig und durchaus erfolgreich am Mythos, dass nur Geld für nutzlose Projekte wie Gleichstellungsarbeit ausgegeben würde und die Mehrheit diskriminiert würde.
Rechtspopulismus als der wahre Freund der Frau?
Flankiert wird dieses Narrativ durch medienwirksame Desinformationskampagnen rechtsalternativer Akteure in welchen der Eindruck entsteht, dass sich Feminist*innen ausschließlich den eher bürgerlichen oder unwichtigen Themen zuwenden würden, wie beispielsweise einer Frauenquote in Aufsichtsräten und Parlamenten, den Feierlichkeiten zu 100 Jahre Frauenwahlrecht und der gendergerechten Sprache. Gleichzeitig stilisieren sich rechte Akteure zu „wahren“ Frauenrechtler*innen und kapern und instrumentalisieren vor allem das Thema Gewalt an Mädchen und Frauen. Unter Getöse schaffen es (extrem) rechte Akteure nach den tragischen Frauenmorden in Kandel, Freiburg und neuerdings Worms, sich als Beschützer der Frauen in Position zu bringen und als die „wahren Frauenrechtler“ zu inszenieren. Die dominante rassistische Diskursfigur ist dabei die des „übergriffigen Fremden“. Eingebettet in dieses rassistische Narrativ initiiert die AfD-Politikerin Nicole Höchst derzeit einen für Mai geplanten nationalistischen Mädchenkongress im Bundestag. Unter den Schlagwörtern „Deutschland, Sicherheit, Mädchen/Frauen, Zukunft“ können Mädchen und junge Frauen Gedichte für einen „Mutige Mädchen-Wettbewerb“ einreichen. Die Themen die auf dem Kongress besprochen werden ranken sich um „Zwangsheirat“, „Kinderehen“, „Genitalverstümmelung“ und Gewalt an Mädchen. In den Kommentarspalten in den Social Media werden diese Botschaften von User*innen eindeutig dechiffriert. Gewalt an Frauen und Mädchen wird als alleiniges Problem eingewanderter junger Männer dargestellt, an dem wiederum die Feminist*innen schuld seien, da sie Migration befürworteten.
Wir müssen über Antifeminismus reden
Diese Mischung ist durchaus explosiv und verfängt bis weit in den Mainstream. Es wird Zeit sich über wirksame Gegenstrategien zu verständigen. Wir müssen über Antifeminismus reden, aber nicht mit Antifeminist*innen. Männer müssen in Verantwortungsstrukturen mit einbezogen werden. Und auch in ihren Marginalisierungsstrukturen, wie beispielsweise soziale Herkunft, körperliche Befähigung, sexuelle Orientierung anerkannt werden. In Jugendeinrichtungen braucht es nicht einfach nur Jugendarbeit, die mehrheitlich von Jungen genutzt wird, sondern geschlechtersensible Jungenarbeit. Nationalistische, femorassistische Mädchenarbeit, wie sie die AfD derzeit initiiert, gehört hingegen nicht in demokratische, antirassistische Jugendarbeit.
Gleichzeitig gilt es den Kompass zu behalten, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, sich miteinander zu solidarisieren und an einem progressiven Diskurs zu Geschlechtergerechtigkeit mitzuwirken. Dazu gehört auch, 100 Jahre Frauenwahlrecht umzuetikettieren zu dem was es wirklich ist: 100 Jahre Demokratie! Dann taucht es auch nicht mehr als skandalisierbarer Sonderposten in Haushaltsplänen auf.