Herrschafts- und Machtverhältnisse sind veränderbar. Wir wollen all die stärken, die für ihre Rechte streiten und kämpfen und Demokratien damit reicher machen. Denn Demokratie braucht Feminismus!
Demokratische Rechte müssen immer wieder aufs Neue verteidigt und erstritten werden. Keine Bevölkerungsgruppe auf allen Kontinenten hat das so erfahren wie Frauen*. Sie haben sich in den vergangenen Jahrhunderten neben dem Wahlrecht viele Rechte erkämpft. Gleichzeitig liegt noch ein langer Weg vor ihnen, vor uns allen: Der Zugang zu Bildung zum Beispiel ist in Deutschland kein Thema mehr – im globalen Süden schon. Die Präsenz von Frauen in öffentlichen Räumen, im Parlament ist fast überall mehr als unzureichend – auch im Deutschen Bundestag. Die Emanzipation von der patriarchalen Geschlechterordnung ist noch lange nicht geschafft– weder in Deutschland noch sonst irgendwo auf der Welt. Gewalt, Diskriminierung, Sexismus und Ungleichheit – sie sind längst nicht überwunden.
Die gute Nachricht ist: Feminismen sind auf dem Vormarsch, Frauen* erkämpfen sich immer neue Räume, um ihre Anliegen weltweit öffentlich zu machen. Das Hashtag #MeToo dokumentiert das globale System sexualisierter Gewalt gegen Frauen* in all seinen Formen. Eindrucksvoll wird das Missverständnis korrigiert, Chauvinismus und damit verbundene Gewaltformen gingen vor allem von den «Anderen» aus, wahlweise den muslimischen, migrantischen oder fremden Männern.
Alle Geschichten zeigen: Überall dort, wo ungleiche Verhältnisse herrschen, gibt es auch sexualisierte Gewalt, und Frauen sind hier regelmäßig unterrepräsentiert. Sexuelle Belästigung und Vergewaltigung sind nicht an ein Land, eine Kultur oder eine Religion gebunden, sondern basieren auf einem grundsätzlichen Dominanzverhältnis zwischen den Geschlechtern.
Frauen* setzen der Ungleichheit, der Diskriminierung und den Machtgefällen einer patriarchalischen Gesellschaft auch in anderen Bereichen erfolgreich ihre Ideen vielfältiger Feminismen entgegen: Sie wollen für gleiche Arbeit genauso viel wie ihre Kollegen verdienen, sie pochen auf ihre sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung, und gerade haben sich die Ir*innen das Recht auf Abtreibung erstritten. Das alles macht Mut.
Antifeminismus ist das Einfallstor der Rechtspopulist*innen
Gleichzeitig erleben wir ein massives Rollback. Die neuen Rechten in Europa, in den USA, aber auch im Deutschen Bundestag haben es geschafft, einen regressiven Diskurs hoffähig zu machen, von dem sich auch andere politische und gesellschaftliche Kräfte anstecken lassen. In Deutschland müssen wir uns derzeit mit Ressentiments und offenen Rassismen auseinandersetzen – gegen Geflüchtete, gegen Migrant*innen, gegen Muslime, gegen Frauen*.
Das Einfallstor der Rechtspopulist*innen ist dabei unter anderem der Antifeminismus: Geschickt greifen sie und rechtsextreme Akteur*innen in ihrer Propaganda die Vorurteile und das Unbehagen auf gegen «zu viel» Geschlechtergerechtigkeit, die auch in konservativen Kreisen der gesellschaftlichen Mitte zu finden sind.
Zu viele Demokratien stehen derzeit an einem Scheideweg: Entweder sie nehmen ihren Auftrag wahr, die politische, soziale, ökonomische und kulturelle Teilhabe der gesamten Bevölkerung zu sichern – oder sie werden noch mehr Legitimationsverluste erleiden.
Demokratie braucht Feminismus
Herrschafts- und Machtverhältnisse sind veränderbar, das ist die Prämisse der Heinrich-Böll-Stiftung. Und wir kennen unser Ziel: In einer offenen und demokratischen Gesellschaft zu leben – das bedeutet für mich, für uns, sie so zu gestalten, dass alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, Herkunft, Klasse, etc. in ihr frei und gleichberechtigt leben und sie mitgestalten können.
Mit dem vorliegenden Heft wollen wir Mut machen, den Weg weiterzugehen, den Frauen* vor Jahrhunderten eingeschlagen haben, so wie wir es in unserer Arbeit das ganze Jahr über tun. Wir wollen informieren und all die stärken, die für ihre Rechte streiten und kämpfen. Wir wollen von Menschen erzählen, die gegen Diskriminierung und Herrschaft überall in der Gesellschaft und der Welt kämpfen und Demokratien damit reicher machen. Denn Demokratie braucht Feminismus!
Ihre Barbara Unmüßig