Regulierung von Big Tech: Die Hassliebe der US-Demokraten zu Facebook und Google

Analyse

Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten Elizabeth Warren und Bernie Sanders fordern eine stärkere Regulierung von Big Tech, setzen im Wahlkampf aber selbst auf Facebook und Google. Der Millennial-Kandidat Buttigieg ist derweil zum Darling der Silicon-Valley-Spender aufgestiegen.

Roboter mit Smiley-Tag

Kaum jemand in den USA verkörpert den inzwischen so genannten „Tech-Lash“, die wachsende Skepsis gegenüber Big Tech, wie Elizabeth Warren. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin ist eine der lautesten in einem Chor von Stimmen, die die Zerschlagung der Technologiekonzerne Facebook, Google und Amazon fordern (Apple nahm sie etwas später in ihre Liste auf). Außer ihr hatte anfangs nur Bernie Sanders, mit dem sie im Vorwahlkampf um linke Wähler konkurriert, so eindeutig Position gegen die marktbeherrschende Stellung der Internet-Riesen bezogen.

“Let’s break up Big Tech”, fordert Warren seit Jahresbeginn in Reden und Artikeln. Sie ließ Plakate mit dieser Botschaft im Silicon Valley aufstellen und sie schaltete Anti-Facebook-Anzeigen – auf Facebook. Darin hieß es: „Diese Unternehmen haben große Macht über unsere Wirtschaft und unsere Demokratie. Wir alle nutzen sie. Aber bei ihrem Aufstieg haben sie Wettbewerber überrollt und unsere privaten Informationen für ihren Profit genutzt.“

Im März kam es zu einem Schlagabtausch, als Facebook die Anzeigen vorübergehend löschte – angeblich hätten sie gegen interne Regeln des Konzerns zur Verwendung von Namen und Logo des Konzerns verstoßen. Facebook schaltete sie wieder live, nachdem Warren sich (auf Twitter) beschwert hatte.

Warren: Facebook-Kritikerin und beste Kundin

Warren und die sozialen Medien – ein bisschen ist das so, als würde Greta Thunberg mit dem Flugzeug (statt wie geplant mit einer emissionsfreien Hochseeyacht) in die USA reisen und an die Passagiere Zettel mit der Forderung nach Begrenzung transatlantischer Flüge verteilen. Die Kritikerin der großen Technologiekonzerne ist zugleich eine ihrer besten Kundinnen. Die demokratischen Präsidentschaftskandidat/innen haben nach Branchenangaben seit Januar diesen Jahres 28 Millionen US-Dollar für Anzeigen auf Facebook und Google ausgegeben, und davon entfallen mindestens 3 Millionen auf Warren. Noch mehr hat bisher nur der frühere Vizepräsident Joe Biden für Online-Werbung ausgegeben.

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Für Politiker/innen, die mit Wähler/innen in Kontakt kommen wollen, führt kein Weg an Facebook oder dem Tochterdienst Instagram vorbei. Das gilt für den republikanischen US-Präsidenten Donald Trump ebenso wie für die Demokraten, deren enge Verbindungen ins Silicon Valley bis in die Jahre des Internet-Booms unter Bill Clinton zurückgehen. Barack Obama wurde als Kandidat dafür bewundert, wie geschickt und erfolgreich er die sozialen Medien nutzte, um seine Unterstützer/innen zu mobilisieren; als Präsident umgab er sich gerne mit den Tech-Bossen. Und Obamas früherer Pressesprecher Jay Carney arbeitet heute für den Amazon-Konzern von Jeff Bezos.

Buttigieg: Facebook-Nutzer 287

Eine ähnliche Nähe zur Technologieindustrie demonstriert im aktuellen Bewerberfeld nur Pete Buttigieg. Der 37-jährige Bürgermeister von South Bend, Indiana, hat mit Freund/innen von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in Harvard studiert; er ist bei Facebook mit der Nummer 287 und damit als einer der ersten Nutzer registriert. Im Jahr 2017 unternahm er mit Zuckerberg einen medienwirksamen „Road Trip“ durch Indiana. Buttigieg ist jung, weiß, gut ausgebildet, technologieaffin und offen homosexuell – diese Eigenschaften ergeben eine große Schnittmenge mit der Tech-Szene an der Westküste.

Trotz seiner niedrigeren Umfragewerte nahm er im zweiten Quartal mit 24,8 Millionen Dollar von allen Kandidat/innen die meisten Spenden ein. Das lag unter anderem daran, dass er - anders als etwa Warren oder Sanders - offen um Geldgeber/innen aus dem Tech-Sektor wirbt. Im Silicon Valley – aber auch in Hollywood – sammelte er zwischen April und Juni mehr Spenden als die Kalifornierin Kamala Harris, die sich ebenfalls auf die Seite der Kritiker/innen von „Big Tech“ geschlagen hat.

Die frühere Generalstaatsanwältin des Bundesstaates und heutige US-Senatorin hat die Konzerne mit „utilities“ verglichen, mit Versorgungsbetrieben also, die den Zugang zu einer elementaren Infrastruktur kontrollieren und aufgrund ihrer Monopolstellung die Preise kontrollieren können – vergleichbar mit städtischen Wasserwerken oder Stromversorgern. Gezahlt wird im Internet freilich oft nicht mit Geld, sondern mit persönlichen Daten.

Datenschutz: Die EU als Vorbild?

Auch Buttigieg hat die Marktmacht der Netzwerke kritisiert und ein „Spektrum an Regulierung“ gefordert – von Geldbußen bis zur Verhinderung künftiger Fusionen. Er ging jedoch nicht so weit, nach einer Zerschlagung zu rufen. In einem Radio-Interview äußerte er sich positiv zur Vorreiterrolle der EU beim Datenschutz. „Es ist keine Frage, dass die USA eine umfassende Politik für den Umgang mit Daten brauchen. Ich würde hier über den Atlantik blicken.“ Auf die Nachfrage, ob er damit ein Gesetz nach Vorbild der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) meine, blieb er vage: „So etwas in der Richtung. Wir müssen diese Debatte führen.“

Die Debatte über ein nationales Datenschutzgesetz wird im US-Kongress bereits geführt, kommt allerdings bisher langsam voran. In Kalifornien tritt im Januar 2020 der California Consumer Privacy Act in Kraft, der schwächer ist als die DSGVO, aber Elemente der europäischen Regulierung enthält. Mehrere andere Bundesstaaten haben ähnliche Gesetze erlassen oder diskutieren über entsprechende Entwürfe. Wie in Europa wird auch in den USA darüber diskutiert, die Plattformbetreiber für Hasspropaganda auf ihren Seiten haftbar zu machen.

Auch die Regulierer in den USA sind bereits aktiv geworden. Die US-Handelsaufsicht Federal Trade Commission hat eine 5-Milliarden-Dollar-Strafe gegen Facebook wegen Datenschutzvergehen verhängt und das US-Justizministerium will die Wettbewerbspraktiken der führenden Onlineplattformen kartellrechtlich untersuchen. Das ist auch im Sinne von Trump, der die Dienste beschuldigt, durch ihre Algorithmen linksliberale Kritiker/innen an seiner Politik zu fördern und ihn zu unterdrücken. Den Online-Diensthändler Amazon dürfte er auch deshalb auf dem Kieker haben, weil dessen Gründer Jeff Bezos auch die Washington Post gehört.

Die Richtung, die viele dieser Debatten nehmen werden, ist offen – selbst im Silicon Valley. Dort mögen viele Tech-Bosse hoffen, dass die Branche unter einem Präsidenten Buttigieg aus dem Kreuzfeuer geraten würde. Unter Google-Mitarbeiter/innen dagegen hat Warren, die im Wahlkampf stark auf individuelle Spenden setzt, im ersten Halbjahr 87.000 US Dollar eingesammelt und damit Buttigieg mit 73.000 US Dollar auf den zweiten Platz verwiesen. Nach einem Bericht von Vox teilen viele Google-Angestellte nicht nur die ethischen Bedenken der Kandidatin, sondern glauben sogar, dass eine Spaltung des Konzerns (etwa durch eine Trennung von Waze und Nest) in kleinere, agilere Unternehmen langfristig gut für Google’s Wirtschafts- und Innovationsstärke sein könnte.

Für Trumps Wiederwahl kamen aus der Google-Belegschaft nur 5.600 US Dollar zusammen. Bisher bleibt Big Tech den Demokraten also treu – trotz aller Kritik aus ihren Reihen.