Geraldine Schwarz: „Gedächtnisräume und Gedächtnislose“

Lesung und Diskussion

23. Januar 2019, 19.00 Uhr, Institut français. Gemeinsam mit Globale und dem Institut français laden wir Géraldine Schwarz ein, mit uns über die Erinnerungskultur europäischer Länder zu sprechen.

Géraldine Schwarz
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Géraldine Schwarz

In „Die Gedächtnislosen“ schildert Géraldine Schwarz, die aus einer französisch-deutschen Familie kommt, wie sich ihre Großeltern beiderseits des Rheins mit dem Nationalsozialismus arrangierten. Ihre These: Die höchst unterschiedliche Geschichtsaufarbeitung in Deutschland, Frankreich, aber auch anderen europäischen Ländern wie Ungarn, Österreich und Italien hat den Einfluss heutiger rechtspopulistischer Bewegungen stark mitbestimmt.

Hintergrund

Géraldine Schwarz entdeckte eines Tages, dass ihr deutscher Großvater, ein Mitglied der NSDAP, 1938 im Zuge der Arisierung eine jüdische Firma in Mannheim erwarb. Nach dem Krieg weigert sich Karl Schwarz, Reparationen an  Julius Löbmann, den einzigen Überlebenden der in Auschwitz ermordeten Fabrikfamilie, zu zahlen. Hier beginnt ihre Recherche zu drei Generationen ihrer Familie, immer mit der Frage, wie die Verwandten und andere die Vergangenheit setzen - selbst in Frankreich, weil der Autor bald erfährt, dass ihr Großvater mütterlicherseits unter dem Vichy-Regime in einem Gebiet als Gendarm diente, das mit Razzien nach Juden durchsucht wurde.
Die Unterschiede im Umgang mit der nationalen Geschichte sind für Schwarz deutlich: Während in Deutschland Mitläufertum und Mittäterschaft dominierende Themen wurden, wurden sie von den Franzosen weitgehend ignoriert. Auf dieser Basis entstand in der Bundesrepublik ein differenziertes Verständnis von Eigenverantwortung in einer Demokratie und ein kollektives Bewusstsein für die Gefahren rechtspopulistischer Denkweisen. Besonders die Willkommenskultur ist Ausdruck eines in der Geschichte geschulten europäischen Humanismus. Die Kehrseite dieser These ist in ganz Europa zu sehen: Wo die Konfrontation mit der Zusammenarbeit spät oder fast nicht stattgefunden hat, sind die Parolen des Rechtspopulismus umso unkontrollierter.
„Die Gedächtnislosen" ist ein sehr persönliches Werk der Erinnerungskultur. Mit vorbildlicher Sorgfalt befürwortet dieses Buch eine Fortsetzung der Erinnerungsarbeit, um den nationalistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Es liefert eines der besten und zugleich provokativsten Beispiele dieser Arbeit.

Die Gedächtnislosen: Erinnerungen einer Europäerin von Géraldine Schwarz wird an diesem Abend an unserem Büchertisch angeboten.

Eine gemeinsame Veranstaltung der Heinrich Böll-Stiftung Bremen, dem Globale und dem Institut français.

Ort: Institut français, Contrescarpe 19, 28201 Bremen
Eintritt: frei